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XBB.1.5: Mutation führt zum Ausfall von Evusheld und zu höherer Infektiosität
Peking/Washington – Die Omikron-Subvariante XBB.1.5, die sich zuletzt in den USA stark ausgebreitet hat, wird durch die Antikörperkombination Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld) nicht neutralisiert. Dies zeigen Laborstudien, die chinesische Forscher in BioRxiv (2023; DOI: 10.1101/2023.01.03.522427) vorstellen.
Dort hat XBB.1.5 auch eine erhöhte Affinität am ACE2-Rezeptor gezeigt, was auf eine erhöhte Übertragbarkeit (aber nicht notwendigerweise erhöhte Pathogenität) hindeutet. Die US-Arzneimittelbehörde FDA geht ebenfalls von einer verminderten Schutzwirkung von Tixagevimab/Cilgavimab aus, das in den USA und Europa das einzige zur Präexpositionsprophylaxe zugelassene Präparat ist.
Die Omikron-Subvariante XBB.1.5. hat in den vergangenen Wochen durch eine starke Ausbreitung in den USA für Aufsehen gesorgt. Die „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) haben zwar Anfang des Jahres den Anteil auf 27,6 % revidiert (letzte Woche wurden noch 40,5 % genannt).
XBB.1.5 bleibt in den USA jedoch die derzeit am stärksten zunehmende Variante. In Europa spielt sie mit der Ausnahme von Großbritannien (Anteil 5 %) keine Rolle, was sich allerdings in den nächsten Wochen ändern könnte.
Denn XBB.1.5. bindet stärker am humanen ACE2-Rezeptor als andere Varianten. Ein Team um Yunlong Cao von der Universität Peking ermittelt eine Dissoziationskonstante von 3,4 nM. Sie war deutlich niedriger als bei XBB.1 (19 nM) und BQ.1.1 (8,1 nM), die in vielen Ländern (nicht Deutschland) präsent sind. Eine niedrige Dissoziationskonstante zeigt eine stärkere Bindung am Rezeptor an, die Voraussetzung für die Infektion einer Zelle ist.
Die chinesischen Forscher haben auch die neutralisierende Wirkung von Plasmaproben untersucht. Sie stammten hauptsächlich von Personen, die mit Coronavac geimpft wurden, der in China am häufigsten eingesetzten Coronavakzine.
Einige Probanden hatten jedoch die mRNA-Impfstoffe BNT162b2 von Biontech/Pfizer oder mRNA-1273 von Moderna erhalten. Sie hatten sich danach mit der Omikron-Variante BA.5 infiziert, also einem durchaus in Deutschland vorstellbaren Szenarium. Die neutralisierende Wirkung war 40-fach geringer als gegen den Wildtyp von SARS-CoV-2 (mit D614G-Mutation).
Die Immunflucht war damit vergleichbar mit der von XBB.1, deren neutralisierende Wirkung in den Laborexperimenten 50-fach vermindert war. Beide Varianten unterscheiden sich nur durch eine Mutation an Position 486 des Spikeproteins im Bereich der Rezeptorbindungsstelle. Bei XBB.1.5 ist die Aminosäure Serin durch Prolin ersetzt. Dies erklärt die erhöhte Affinität am Rezeptor und damit vermutlich die erhöhte Infektiosität von XBB.1.5.
Die Mutation gefährdet darüber hinaus die Wirksamkeit von Antikörper-Präparaten. Nach den Daten der chinesischen Forscher waren Bebtelovimab und Tixagevimab/Cilgavimab nicht in der Lage, Pseudoviren mit XBB.1.5-Eigenschaften von der Infektion von Zellkulturen abzuhalten. Bebtelovimab wurde bereits wegen einer Immunevasion von BQ.1 vom Markt genommen.
Tixagevimab/Cilgavimab ist als Evusheld das derzeit einzige Präparat, das zur Präexpositionsprophylaxe zugelassen ist. Es wird bei Patienten eingesetzt, bei denen es nach einer Impfung nicht zur Produktion von körpereigenen Antikörpern gekommen ist. Betroffen sind vor allem Menschen mit Abwehrschwächen oder Organtransplantierte.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA ist ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass Evusheld nicht vor einer Infektion mit XBB.1.5 schützt. Die Ärzte wurden am vergangenen Freitag gebeten, ihre Patienten auf das Risiko hinzuweisen.
Der Antikörper Sotrovimab, der als Xevudy zur Behandlung im Frühstadium von COVID-19 zugelassen ist, könnte nach den Ergebnissen der chinesischen Forscher noch eine gewisse Wirksamkeit gegen XBB.1.5 behalten haben. Der in China entwickelte Antikörper SA55 war in den Tests nicht von einer Immunevasion betroffen.
Ungeklärt ist derzeit noch, ob die Mutation Ser486Pro die Pathogenität von XBB.1.5 erhöht hat. Ein Anstieg der schweren Erkrankungen, die die Folge wäre, ist in den USA bisher nicht aufgefallen. © rme/aerzteblatt.de