..
Magst Du davon berichten? Was waren die Reaktionen und Kommentare "der anderen"?
Wir haben an 3 Tagen Unterschriften gesammelt, immer an einem Wochenende. Unser Team bestand aus Betroffenen, also Patienten und medizinischem Personal (zB Spezialisten/innen Intensivmedizin) und Medizinstudenten. Ein sehr aufgestelltes Team.
Unterschriften sammeln ist kein Schleck. Besondere Schwierigkeiten in einem grossen Bahnhof (der Standort meiner Gruppe):
• viele Leute sind in Eile – sie wollen einen Zug erwischen, ein Schiff, ein Tram oder kommen von einer Reise und wollen einfach nach Hause.
• Nur Schweizer Bürger können eine Initiative unterzeichnen. Man versucht also, die Leute, die auf einen zulaufen innert Sekunden zu sieben. Das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter.
• Nur Volljährige dürfen unterscheiden – also innert Sekunden zu versuchen, das Alter einzuschätzen.
• Je nach Standort im Bahnhof hatte es mehr oder weniger potentielle Unterzeichner.
• Und dann musste man sich noch daran gewöhnen, Leute einfach anzusprechen, ihre Aufmerksamkeit innert 1 Sekunde zu packen und Absagen jeder Art nie persönlich zu nehmen.
Eine Zeitlang war eine grosse Gruppe von Pfadfindern im Bahnhof unterwegs, die zum Teil wohl älter als 18 waren und ein paar unterzeichneten die Initiative.
Ich sprach einen Pater an und er nahm einen Unterschriftsbogen mit, weil seine Brüder wahrscheinlich auch noch unterzeichnen würden. Ich schaltete zuerst nicht gleich – Brüder?? Natürlich, er ist ja Pater!
Eine ältere Dame sprach mich direkt an und es stellte sich heraus, dass sie pensionierte Krankenschwester war.
Auch eine andere ältere Dame, die eigentlich nur den Markt suchte, outete sich als ehemalige Krankenschwester und unterzeichnete.
Und dann war da noch die Bahnhof-Securitas-Patrouille. Eine Frau und ein jüngerer Mann. Ich sprach die Frau an – warum auch nicht…. Sie hatte kein Interesse, äusserte sich so, dass ich annahm, dass sie gegen Organspende überhaupt war. Interessant war aber, dass sie eine halbe Stunde später prompt nochmals auftauchten und unsere Bewilligung fürs Unterschriftensammeln sehen wollte. Man hattte sie uns wohlweislich abgegeben und uns auch eingeschärft, wo wir genau stehen durften. Die Securitas-Frau kontrollierte jede Seite der Bewilligung und war schliesslich zufrieden – sie sah aber beim Weglaufen immer noch sauer aus. Vielleicht ist das einfach der Standardblick einer Securitas-Person….
Mein Einstieg war übrigens „Wir sammeln Unterschriften für eine Initiative in Sachen Organspende – Sind Sie interessiert?“ Ich wollte zeigen, dass wir kein Geld wollten - im Gegensatz zu den sehr aufdringlichen bezahlten Sammlern, die einen jeweils in den Bahnhöfen „überfallen“. Die Variante meiner Nachbarin beim Sammeln war: „Haben sie eine Meinung zur Organspende?“ – das versuchte ich auch ein paar Mal.
Richtig unangenehme Begegnungen hatte ich keine und ich glaube, auch die anderen nicht. Viele wollten natürlich partout nicht stehen bleiben, hatten keine Zeit, machten einen weiten Bogen um mich oder wohl eher um das Klemmbrett und wollten sich nicht mal die ersten Worte meiner Erklärung anhören, was ich überhaupt von ihnen wollte. Ein paar blieben zwar stehen, erklärten dann aber, dass sie gegen Organspende seien – sie hatten sich wenigsten schon Gedanken zum Thema gemacht. Und eigentlich ist das ja eines der Hauptanliegen der ganzen Initiative: dass sich die Menschen Gedanken zur Organspende machen und sich in irgend einer Form äussern, bevor es zu spät ist (Organspendeausweis, Patientenverfügung, Gespräch mit Angehörigen ….). So dass die Angehörigen im Falle eines Falles die Frage des Arztes beantworten können, ob ihr im Sterben begriffener Angehöriger eine Meinung zum Thema Organspende hatte oder nicht.
Einigen Helfern ist aufgefallen, dass junge Leute eher schon von der Initiative gehört haben und bereitwillig unterzeichnen. Bei älteren Semestern muss man da vielfach schon mehr erklären.
Die Leute waren sehr in Eile, mit Koffern und Einkaufstaschen unterwegs oder, vor allem die Jungen, im Kopf schon im Samstagsausgang. Wieder andere wollten „gerade nicht über dieses Thema nachdenken“.
Aber manchmal redete man sich den Mund „fuselig“ und bekommt doch keine Unterschrift. Auch das muss man akzeptieren.
Viele verstanden nicht, dass ihre Unterschrift auch Sinn macht – es war ja erst die Unterschriftensammlung, damit die Initiative dann auch vors Volk kommt. Unterschreiben ist das eine. An der Abstimmung dann „Ja“ ankreuzen ist das andere. Beides hat schliesslich geklappt. Jetzt ist die Umsetzung im Gange….
Fazit von mir:
Es war nicht so schlimm gewesen, wie ich erwartet hatte. Vielleicht hätte ich mehr wagen sollen, auch wenn es dann mehr Absagen und Fehlgriffe (Touristen statt Schweizer….) gegeben hätte. Aber ich musste mich auch zuerst an die neue Situation gewöhnen – so was hatte ich nämlich noch nie gemacht!
Und ich habe mir vorgenommen, künftig auch stehen zu bleiben und mir wenigstens das Anliegen anzuhören, wenn ich um eine Unterschrift gebeten werde.
Ein paar Beispiele der unangenehmeren Gespräche und aus Kommentaren zu Artikel zur Initiative / Abstimmung sind im nachfolgenden Text aufgeführt.
Was mich absolut total in Rage brachte, war ein Editorial in einer Wochenzeitschrift Mitte 2021, die sich leider über die Jahre von „viele interessante Artikel“ zu einem nicht mehr lesbaren Erzeugnis gewandelt hat. Ich habe dem Chefredaktor meine Meinung dazu mitgeteilt. Den Artikel selbst poste ich nicht, aber anhand meines Kommentars dazu versteht man vielleicht, was in etwa drin gestanden hat. Der Titel des Artikels war „Staatlich gewollter Organraub“
In diesem Beitrag ist für Gäste nicht alles sichtbar. Bitte melde dich an, oder registriere dich.