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THEMA:
doch nochmal KÄSE 02 Aug 2009 22:16 #24417
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Ihr Lieben habt Geduld mit mir: bin heute in Offenbarungslaune
Pollmer, Deutschlandradio von heute, Nun ist er durch alle Medien durch, der Analog-Käse. Für uns eine gute Gelegenheit Bilanz zu ziehen. Was war für Sie das Kurioseste am Skandal? Der Name Analog-Käse. Das ist eine Verballhornung des Fachausdruckes Cheese analogue. Seit 30 Jahren werden diese Imitate angeboten - aber niemanden hat das bisher interessiert. Der Grund ist simpel: Käseimitate werden überwiegend aus Milch hergestellt. Und genau das gilt als zu kompliziert für den deutschen Illustriertenleser. Ein guter Grund nachzuhaken: Was bitte ist ein Milchimitat aus Milch? Wenn Sie Käse herstellen, dann wird die Milch dick gelegt, die Molke abgezogen, die Käsemasse erhitzt, zu Laiben geformt und dann gereift. So weit so gut. Doch dieser Prozess ist teuer, weil er einen teuren Rohstoff braucht und viel Zeit erfordert. Deshalb hat man versucht, den Käse gewissermaßen durch Direktsynthese herzustellen. Damals wurde bereits das Milcheiweiß, das Casein, aus der Milch abgetrennt und für allerlei technische Zwecke verwendet: für Farben, Autoreifen, Klebstoffe aber auch zur Herstellung von falschem Schildpatt oder Elfenbein. Und mit diesem Know-how wurde dann Käse nachgebaut? Ja, das Casein war der Strukturbildner, dazu kamen dann Pflanzenfette, Schmelzsalze, Farbe, Aroma und so weiter. Das ging nicht nur schneller, sondern hatte noch einen ganz anderen Vorteil: Man konnte damit allerlei technologische Kunststückchen vollbringen, für die richtiger Käse nicht taugte. Die Cheese-Analogues waren ja für den Weiterverarbeiter bestimmt. Damit ließen sich die Käseraspel leichter auf der Tiefkühlpizza dosieren, die Pizzafädigkeit beim Verzehr regulieren usw. Hersteller wie Kunden warens zufrieden. Aber es ist doch auch billiger? Erst mal nicht, auch wenn das Pflanzenfett sparen half. Aber im Laufe der Zeit lernte man das Casein teilweise durch billigeres Molkeneiweiß zu ersetzen - also dem Abfall der Käseherstellung - und insgesamt den Wassergehalt durch Zusatz von Bindemitteln zu erhöhen. So wurden die Käseimitate dann tatsächlich zum billigen Selbstläufer. Ist nicht der Preiskampf eine Ursache für den Qualitätsverfall. Nie haben wir so wenig Geld für unser Essen ausgegeben. Wenn die Preise sinken, wird die Qualität nicht besser. Nehmen Sie als Beispiel die Presse: Der Preisverfall für journalistische Arbeiten war die letzten 10 Jahre weitaus dramatischer als bei Lebensmitteln. Nun dürfen wir raten, wo mehr Mist produziert wird.... Dagegen sind wir hier ja angetreten. Das ist auch gut so. Denn heute kommt eine weitere Kraft ins Spiel, über die nur sehr verschämt gesprochen wird. Lebensmittel sollen ja in gewisser Weise gesund sein. Und das ist derzeit definiert als kalorienarm, salzarm, fettarm - und wenn Fett, dann nur pflanzliches, usw. Bei Warentests wird danach bewertet, Maßstab ist vielfach die Lebensmittelampel. Da ist es schon vorgekommen, dass ein Hersteller abgewertet wurde, weil zwei Pizzas in einer Packung steckten. Das seien zu viele Kalorien auf einen Karton. Jetzt werden wohl die Packungen kleiner? Genau das. Der Verpackungsmüll nimmt zu. Aber die Hersteller wissen auch, dass echter Bergkäse bei der Ampel stets rot bekommt. Zuviel tierische Fette, zu viele Kalorien - weil er gereift ist, und dadurch weniger Wasser enthalt. Ein Cheese-Analogue bekommt schnell das Okay der Ernährungsfachleute: Nur ein bisschen Pflanzenfett, dank des hohen Wasseranteils auch noch kalorienarm. Das Glas Wasser, das man trinken soll, ist in jeder Packung schon mit drin. Das gleiche beim Saftschinken, richtiger Schinken kriegt die rote Karte. Nicht alles was bei der Lebensmittelampel grünes Licht bekommen würde, ist ein Imitat, aber per Imitat lässt sich leicht grünes Licht erzielen. Die Hersteller glauben inzwischen, dass Imitate nach Art der Cheese-Analogues der einzige Weg sind, um auf lange Sicht eine gute Presse zu bekommen. Und was empfehlen Sie als Abhilfe? Na ja, das, was viele Journalisten dem Verbraucher empfehlen, damit unser Essen wieder besser wird: Man möge mehr Geld ausgeben. In diesem Falle aber nicht für Grüne-Ampel-Käse sondern für guten Journalismus. Literatur: Pollmer U, Niehaus M: Food Design: Panschen erlaubt. Hirzel, Stuttgart 2006 EU.L.E.N-Spiegel 2009, Heft 2 - erscheint im August |
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