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Der Ethikrat und der Vorschlag 26 Apr 2007 09:44 #448397

  • Roland
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Vorgestern hörte ich im Radio, dass der Ethikrat des Bundestages einen Vorschlag zur Neuregelung des Organspendegesetzes eingebracht hat.
In diesem wurde vorgeschlagen, wie es euch sicher bekannt ist, quasi eine Widerspruchslösung bei der Organentnahme einzuführen.
Die Entscheidung wurde nach Pressemitteilungen einstimmig vom Ethikrat getroffen.
Ich persönlich war hoch erfreut, von dieser Meldung und zugleich überrascht von diesem plötzlichen Vorstoß.
Ich dachte jetzt ist es geschafft.
Aber nun ist die Diskussion in der Öffentlichkeit in eine ganz andere Richtung gegangen.
Alle Parteien scheinen plötzlich diese Regelung abzulehnen, und die Kommentartoren der Tageszeitungen sprechen davon, daß mit diesem Schritt jetzt der Staat auch noch nach dem Tod über uns bestimmen will und das gehe schließlich zu weit. Wenn auch das Leid der Patienten beachtet wird und zumeist noch davon gesprochen wird, daß es in der Tat zu wenig Spenderorgane gibt.

Vor zwei Tagen habe ich noch gedacht wie mutig der Ethikrat doch ist, aber langsam glaub ich fast das es ein Fehler war und wir wieder um Jahre zurückgeschmissen werden.
Die aufkommenden Diskussionen werden wieder vom Ausweiden und Unregelmäßigkeiten bei der Hirntoddiagnostik sprechen. Wie ich es schon in einem Kommentar gelesen habe. (Der bezog sich auf Vorkommnisse in den USA)
Das wird wieder die Unsicherheit zu diesem Thema in der Bevölkerung verstärken.

Werden wir je in Deutschland eine Widerspruchslösung erlangen oder ist das unmöglich?

LG Roland

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 26 Apr 2007 11:59 #448398

  • grille
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Tatsache ist doch dass kein echtes Vertrauen in die deutsche Ärzteschaft besteht. Gerade gingen die Schlagzeilen von 17000 Toten pro Jahr durch ärztliche Schlamperei durch die Presse, was ja nur die Spitze des Eisberges sein kann. In dieser Situation einen solchen Automatismus zu fordern, der gegen alle Tendenzen läuft, die Rechte von Patienten zu stärken, ist fatal. Will man denn, nur weil es die Ärzte nicht auf die Reihe bekommen behutsam mit den Angehörigen Verstorbener umzugehen, diesen Weg wirklich gehen? - ich sehe da viele andere Wege die Organspende zu fördern.
Grüsse Grille

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 26 Apr 2007 13:38 #448399

  • Roland
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Hallo Grille,

ich denke mal das Vertrauen in die Ärzteschaft ist da.
Natürlich werden bei Behandlungen auch Fehler gemacht, so was ist bedauerlich aber nicht vermeidbar. Lediglich die Anzahl der Fehler könnte durch Verbesserungen im Klinikablauf vermindert werden.
Und der Vorwurf, daß die Ärzte es nicht auf die Reihe bekommen vernünftig mit den Angehörigen zu reden kann man so auch nicht stehen lassen.
Wie soll es denn zu einem behutsamen Gespräch kommen, im normalen Klinikalltag?
Erstmal sind die Angehörigen nicht immer sofort greifbar, dann erleben sie den Verstorbenen ja noch als lebenden Organismus, und der Arzt wenn er mal Zeit hat zwischen zwei Terminen ist ja dann auch meist im Stress.
Nein das kann nur mit mehr Personal umgesetzt werden, was ja auch nicht gewünscht ist.
Andere Länder haben schon lange Ihre Widerspruchslösung, trotz regelmässigen Ärzteskandalen auch in deren Medien. Aber das da raus eine Diskussion zur Abschaffung der Widerspruchslösung entstanden wäre, ist mir nicht bekannt.
Den schwarzen Peter darf man nicht der Ärzteschaft in die Schuhe schieben, das Problem sind verbindliche Regeln. Sei es pro Widerspruchslosung oder klare Regeln bei der Umsetzung des bestehenden Transplantationgesetz.
Also Verpflichtung zur Ausschöpfung aller Möglichkeiten.
Für mich wäre die Widerspruchslösung der bessere Weg, weil dadurch jeder im Vorfeld in der Pflicht steht sich zu dieser Frage zu äussern. Dadurch wird viel Verantwortung von den Angehörigen genommen, die in der jetzigen Situation oft überfordert sind.
Das gleiche gilt für die Ärzteschaft denn die sind ja selbst in einem Konflikt.
Zum einen haben Sie gerade eine Niederlage im Kampf um ein Patientenleben erlitten und zum anderen sollen Sie diese dann eingestehen und zugleich die bereitschaft zur Organspende abfragen. Sowas ist nicht einfach.

LG Roland

LG Roland

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 26 Apr 2007 16:23 #448400

  • grille
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Ich persönlich habe nichts gegen die Widerspruchslösung, ich glaube nur nicht dass sie eine Lösung bringt. In Österreich sind zwar die Transplantationen zunächst gestiegen aber auch die Patienten auf den Listen, genauso wie in Deutschland. Dann widersprichst Du meinen Aussagen, nennst aber Gründe warum es tatsächlich doch so ist: z.B. Personalmangel. Die angestellten Ärzte in den Kliniken auf der einen Seite die demonstrieren und im System gefangen sind, die Chefärzte und Klinikleiter auf der anderen. Letztere sind, was Organtransplantationen angeht, im KfH und deren Ableger, der DSO vertreten und regeln nach Tx-Gesetz die Organvereilung in Deutschland. Damit kommt es zum Konflikt beider Parteien vor Ort bei der Transplantation: geringes Interesse der Klinikärzte an Organentnahmen (und der Kliniken die nicht Transplantieren) oder wie kürzlich, die Verweigerte Lungen-Tx in Großhadern (zugegeben ein Einzelfall, aber da wurde der Konflikt offensichtlich). Die DSO sagt selbst, mit der Widerspruchslösung könnte man in den Kliniken besseren Druck für eine Organentnahme machen. Würde man diesen Interessenskonflikt anders lösen, so hätte man vermutlich eines der grössten Hindernisse der Organtransplantation überwunden.
Siehe dazu auch: Deutsches Ärzteblatt, Organspende: Der Schlüsel liegt im Krankenhaus ( www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=45218 ). Darin steht z.B. dass sich nur 40% der möglichen Kliniken am Programm Organtransplantation beteiligen. Wäre es da nicht sinnvoller ein Gesetz zur Pflichtteilnahme dieser Kliniken zu erlassen, anstatt den ethischen Kompromiss einer ganzen Nation zu verschieben?
Grüsse Grille

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 26 Apr 2007 17:51 #448401

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Ich habe mich auch über diese Empfehlung gefreut ... blos Die von Dir erwähnte Öffentlichkeit ist bei mir noch nicht vorbeigekommen!

Werner

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 26 Apr 2007 22:48 #448402

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Hallo Grille,

Du Schriebst Wäre es da nicht sinnvoller ein Gesetz zur Pflichtteilnahme dieser Kliniken zu erlassen, anstatt den ethischen Kompromiss einer ganzen Nation zu verschieben?

Genau das ist der Punkt. Dieses Gesetz gibt es bereits seit dem 5.11.1997 (BGBl. I S. 2631). Es heißt Transplantationsgesetz . Dort ist im § 11 (1) die Zusammenarbeit bei der Organentnahme geregelt. „Die Entnahme von vermittlungspflichtigen Organen einschließlich der Vorbereitung von Entnahme, Vermittlung und Übertragung ist gemeinschaftliche Aufgabe der Transplantationszentren und der anderen Krankenhäuser in regionaler Zusammenarbeit.“
Soweit das Gesetz. Aber was nutzt es, wenn nur 40% der Krankenhäuser mitmachen. Das Entscheidende ist, daß Verstöße gegen dieses Gesetz keinerlei Sanktionen nach sich ziehen. Da liegt meiner Meinung nach der berühmte Hase im Pfeffer.Strafen sind sicherlich kein Allheilmittel. Vielleicht könnte man es „Erinnerungskonsequenz“ oder so ähnlich nennen. Solange es egal ist, ob man sich an ein Gesetz hält oder nicht, wird es sicherlich immer Menschen Geben, die sich für ihren eigenen Weg (der manchmal auch der leichtere ist) entscheiden.

Limo

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 27 Apr 2007 00:45 #448403

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Mir ging es genau so, ich habe mich über den Mut des Ethikrats gefreut - und hatte trotzdem Bauchschmerzen. Weil ich noch den Skandal mit den Gewebeteilen im kopf habe, den Geschäftemachern, die Notsituationen für ihren Gewinn ausnutzen. Aber deshalb will ich nicht gegen die widerspruchslösung sein, sondern zusätzllich die uneigennützigkeit bei der Verwendung der organe usw. mit einfordern. Nur wenn wir ausschließen können, dass krumme Geschäfte auf unserem Rücken gemacht werden, werde ich mich für diese Regelung stark machen. hemago

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 27 Apr 2007 11:04 #448404

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Hallo Roland,

wenn nichts gefordert wird, dann passiert auf jeden Fall nichts. Von daher finde ich den Vorstoß des Ethikrats gut.

Die Politik hat sich natürlich gleich dagegen ausgesprochen, eine Ministerin (?) kam im Interview. Sie sprach sich gegen die Widerspruchslösung aus, hat jedoch das Problem der Krankenhäuser, die die Organe gar nicht erst melden erwähnt. Sie meinte, daß mehr Transplantationsbeauftragte eingesetzt werden sollten. Wenn dies wirklich passiert, dann wäre das doch schon ein erster Schritt (ich glaube aber noch nicht daran :-()

Mal sehen, ob sich irgendwas tut.

LG
Sabine

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 27 Apr 2007 22:56 #448405

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Hallo Roland,
bei der Diskussion um die Widerspruchslösung höre ich immer wieder zwei Argumente gegen diese Lösung, die für mich nicht von der Hand zu weisen sind.
Ich würde sie mal als Fragen in den Raum stellen:
1.
Kann man einen Menschen dazu verpflichten, sich zu einer Spende nach dem Tod verbindlich zu äußern (egal um was es sich handelt)?
2.
Ist es ethisch, moralisch und rechtlich vertretbar, einen Menschen der sich nicht zur Organspende geäußert hat, vielleicht noch nie etwas davon gehört hat oder auch nicht hören will (muss man das nicht auch akzeptieren?) automatisch zu einem Spender zu erklären? Kurz: Kann man Schweigen als ein Ja werten?

Wer von uns kann diese zwei Fragen mit gutem Gewissen und möglichst NICHT NUR AUS PATIENTENSICHT mit einem klaren Ja beantworten? Ich jedenfalls nicht.
Ein klares ja wäre aber eine Voraussetzung für die Widerspruchslösung.
Im übrigen bin ich der Meinung, dass die jetzige Regelung (siehe Grille und Limo), nur konsequent umgesetzt werden müsste und das ganze Problem hätte sich erledigt. Die Warteliste wäre innerhalb kürzester Zeit abgebaut.

MaRIO

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 30 Apr 2007 08:09 #448406

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Hallo Mario,

obwohl ich das sonst nie tue:

FACK.

Oder länger: Ich freue mich immer wieder, wenn Du Dich zum Thema Organspende äußerst, weil Du die Angelegenheit aus ethischer Sicht sehr genau durchdenkst und in der Lage bist, Deine eigenen Interessen hinter das, was Du für richtig hälst zu stellen.
Dafür danke.

Gruß

joe

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 30 Apr 2007 11:06 #448407

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Hallo

Meiner Meinung nach ist eine Organspenderegelung wie sie in Österreich praktiziert wird, ethisch/moralisch eher vertretbar als unsere bisherige Regelung.
In Österreich werden die Angehörigen nur danach gefragt, ob ein nach dem
Gesetz zu beachtender Widerspruch des Verstorbenen vorliegt; von der vorgesehenen Organentnahme wird jedoch auch abgesehen, wenn die Angehörigen ihr nachdrücklich widersprechen.
Denn bei uns werden die Angehörigen, durch die notwendige Zustimmung, in einem schweren Moment mit einer Verantwortung belastet, die so kaum zu tragen ist.
Der ethisch geradeste Weg aus Spendersicht, wäre dann eher eine Regelung, die es nur zulässt Spender zu werden, wenn eine eindeutige schriftliche Zusage vom Spender vorliegt.
Ob dies aber aus Empfängersicht ethisch vertretbar ist, ist widerum eine andere Frage. Denn mus eine Gesellschaft nicht alles mögliche tun um das Leben von schwerkranken zu retten?
Auch da gibt es eine ethische Verantwortung und von daher bin ich der Meinung, daß die Widerspruchslösung eine ethisch vertretbarere Regelung ist als die bisherige.

LG Roland

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 01 Mai 2007 12:05 #448408

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Hallo Roland,
zur Regelung in Österreich.
In Paragraf 62a des KAKuG (Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz) ( KLICK ) steht unter anderem:
„Die Entnahme ist unzulässig, wenn den Ärzten eine Erklärung vorliegt, mit der der Verstorbene oder, vor dessen Tod, sein gesetzlicher Vertreter eine Organspende ausdrücklich abgelehnt hat. Eine Erklärung liegt auch vor, wenn sie in dem beim Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen geführten Widerspruchsregister eingetragen ist“.

Das bedeutet, Angehörige können zwar widersprechen, aber nur wenn dieser ausdrückliche Widerspruch VOR DEM TOD erklärt wird und wenn der Angehörige oder wer auch immer als gesetzlicher Vertreter anerkannt ist. Sonst nicht! Richtig sicher vor einer Organentnahme ist man also in Österreich eigentlich nur, wenn man sich schriftlich in das Widerspruchsregister eingetragen hat (gilt übrigens auch für Ausländer) weil die Ärzte verpflichtet sind, vor der Organentnahme eine Abfrage im Register vorzunehmen. Diese Abfragen werden protokolliert.
Warum sollte nun ein der Organspende gegenüber aufgeschlossener Arzt vor dem Ablebeben eines Patienten mit den Angehörigen über das Thema Organspende sprechen, auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinweisen und damit möglicherweise diese Organspende verhindern und sich und den Angehörigen eine unbequeme Diskussion „zumuten“? Warum sollte er so etwas machen? Ist es nicht viel einfacher, bis zum Gehirntod zu warten, dann das Widerspruchsregister abzufragen und die persönlichen Sachen des Verstorbenen nach einem Widerspruch zu durchsuchen? NUR DAS verlangt das Gesetzt. Nichts weiter.
Die Angehörigen als gesetzliche Vertreter müssen bereits VOR dem Tod widersprochen haben. Ab dem Todeszeitpunkt kann laut Gesetzt niemand mehr der Organentnahme widersprechen – sonst wäre ja auch die Widerspruchslösung keine richtige Widerspruchslösung mehr.
Nun denke ich an die Angehörigen, die dann von der Organentnahme erfahren, an die Mutter, die Ehefrau, den Ehemann. Sie alle stehen dann unter Umständen vor vollendeten Tatsachen.

Ist das ethisch und moralisch einfacher zu vertreten als die Zustimmungslösung? Ich bin mir da nicht so sicher...

Du schreibst weiter: „Denn muß eine Gesellschaft nicht alles mögliche tun um das Leben von schwerkranken zu retten?“ – Ja, natürlich. Aber muß sie das auch um jeden Preis? Auch wenn sie dabei anderen Menschen ethische und moralische Wertvorstellungen aufzwingen will, die diese Menschen nicht teilen können oder wollen? Gibt es einen Anspruch auf ein neues Organ? – Nein. Gibt es einen Anspruch auf eine Spende? – Nein.

Die Widerspruchslösung wird aus den genannten und weiteren Gründen in Deutschland wahrscheinlich auch nie kommen. Sie findet weder in der Politik eine Mehrheit noch die Zustimmung der Kirchen. Mittlerweile habe ich auch die Befürchtung, dass uns die durch den Nationalen Ethikrat begonnene Diskussion in der Öffentlichkeit bei den Bemühungen um die Organspende eher schadet.

Meine zwei konkreten Fragen hast Du übrigens nicht beantwortet. ;-)

VG
MaRIO

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 02 Mai 2007 10:05 #448409

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Hallo Mario,
kurze Anmerkung 94-98% dieser ethisch und moralisch so in anspruch genommenen Deutschen Bevölkerung die sich nicht darum kümmert wo Organe herkommen solange es Ihnen gut geht erwarten das Sie im bedarfsfall bedient werden. Organspende ist ein Gesamtgesellschaftliches Anliegen in eine ungewisse Zukunft nur wenn viele bereit sind in diesen Topf einzuzahlen kann an die Bedürftigen ausgezahlt werden.
Da offensichtlich seit Jahren die meisten nicht gewiilt sind sich zu entscheiden
(dafür oder dagegen) beides ist OK, finde ich es durchaus vertretbar statt einer Entscheidung dafür, eine dagegen abzuverlangen. Übrigens hat der Ethikrat eine Erweiterte Widerspruchlösung angeregt bei der die Angehörigen widersprechen können.
Ist nun doch keine so kurze Anmerkung geworden
Gruß Lothar

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 02 Mai 2007 11:46 #448410

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Hallo RIO,

wie sind eigentlich die Reaktionen in Österreich auf die Widerspruchslösung? Gibt es dort viele Gegner, wird das Thema auch heiß diskutiert oder ist die Bevölkerung dort zufrieden damit?

Hast Du da Infos?

LG
Sabine

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 02 Mai 2007 12:25 #448411

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Da fällt mir noch was anderes ein, nur so als Anmerkung. Neulich hat eine Bekannte von meiner Dialysepflichtigkeit erfahren und daß ich auf der Warteliste stehe. Da meinte sie, bei ihnen in China gäbe es da keine so lange Wartezeit, da würden nämlich die Organe von den durch Todesstrafe Hingerichteten verwendet.

Das finde ich absolut hammerhart. Ich bin doch froh, in einem Rechtsstaat zu leben!

LG
Sabine

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 02 Mai 2007 13:08 #448412

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Hallo Sabine,
darüber habe ich einen Bericht gesehen in dem aufgezeigt wurde, das diese Organe ins Ausland verkauft werden und viele wegen eher geringer oder sogar politscher Gründe zum Tode verurteilt werden. Also wirklich entsetzlich bis eigent-lich kaum kommentierbar. Es fehlen einen wirklich die Worte.
Gruß lolo

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 02 Mai 2007 14:00 #448413

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dazu möchte ich anmerken, daß in China Gestern ein Gesetz in kraft getreten ist, welches den Organhandel verbietet.

@Sabine
da ich selbst in Österreich gelebt habe, kann ich Dir etwas zu der Akzeptanz der Widerspruchsregelung in Österreich berichten.
Mein Eindruck war, daß es genau wie hier ein großes desinteresse zu diesem Thema gibt. Was nicht ungewöhnlich ist, denn wer befasst sich schon gerne mit Themen wie Krankheit oder Tod.
Wenn im Gespräch es zum thema Organtransplantation kam, habe ich eigentlich nie erlebt, daß es eine negative Äusserung zur Widerspruchslösung gab.
Es gibt aber auch in Österreich Kritiker die den Hirntod nicht als wirklichen Tod ansehen. Und in der Organentnahme einen Eingriff in den Sterbeprozess sehen.

Dialysepatienten empfinden im übrigen die Wartezeiten in Österreich oft als zu lang.

LG Roalnd

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 02 Mai 2007 14:41 #448414

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Hallo Mario,

ich möchte deine Fragen natürlich noch beantworten.

1.
Kann man einen Menschen dazu verpflichten, sich zu einer Spende nach dem Tod verbindlich zu äußern (egal um was es sich handelt)?

Ich denke schon, denn die gesetzliche Erbfolge ist genau genommen ja auch eine Spende, und wenn man kein Testament aufsetzt, tritt die gesetzliche Erbfolge in kraft.


2.
Ist es ethisch, moralisch und rechtlich vertretbar, einen Menschen der sich nicht zur Organspende geäußert hat, vielleicht noch nie etwas davon gehört hat oder auch nicht hören will (muss man das nicht auch akzeptieren?) automatisch zu einem Spender zu erklären? Kurz: Kann man Schweigen als ein Ja werten?

Das ist ungleich schwieriger, da ich die unversehrtheit des Menschlichen Körpers nicht mit seinen marteriellen Hinterlassenschaften vergleichen möchte.
Aber ich denke, daß die Widerspruchslösung eigentlich jedem die Chance gibt sich zu äussern, wenn er nicht mit einer Spende einverstanden ist.
Voraussetzung ist natürlich, daß die Widerspruchslösung auch genügend thematisiert wird. (Schulunterricht, Anzeigen usw.) Schwierig wird es natürlich bei Personen die den Sachverhalt aufgrund einer geistigen Behinderung nicht verstehen können. Das muss natürlich irgendwie geregelt werden.
Aber im allgemeinen kann man das Schweigen als ja werten.

Auch wenn sie dabei anderen Menschen ethische und moralische Wertvorstellungen aufzwingen will, die diese Menschen nicht teilen können oder wollen?

Da ist doch gerade die Widerspruchslösung der beste Weg, wer nicht will sagt bescheid. Bei der Zustimmungslösung kann es doch viel eher passieren, daß jemand ungewollt zum Organspender wird. Wenn einer kein Organspender sein will und meint darüber mit niemanden reden zu müssen und lediglich der nichtbesitz eines Organspendeausweises schützt ihn vor einer Organspende. Wenn dem was zustöst und die Angehörigen werden dann zur Organspende befragt.- Wenn die dann sagen ja der war immer so sozial eingestellt das hätte ihm bestimmt gefallen.
Was dann?
Natürlich ist das konstruiert aber im Grunde auch ein Schweigen als akzeptiertes ja.

Jetzt beantworte mir doch noch bitte wie du dazu stehst, dass durch die Widerspruchslösung die Angehörigen auch von einer schweren Verantwortung befreit werden. Ist das nicht auch ein Argument?

LG Roland

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 02 Mai 2007 14:42 #448415

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Mit solchen Berichten sollte man vorsichtig sein. Ich erinnere mich wie noch Mitte der 80er Jahre ein Hausmeistergehilfe in der Pathologie die Zirbeldrüsen von den Gehirnuntersuchungen gesammelt und an die Industrie weitergegeben hat um sich so ein Zubrot zu verdienen, und zwar ganz offiziel - in Deutschland.
Grüsse Grille

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 04 Mai 2007 22:11 #448416

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Hallo Roland,

zu 1.
Einen menschlichen Körper, seine Organe und Gewebe möchte ich eigentlich nicht mit materiellen Werten aus einer Erbfolge vergleichen.

Zu 2.
Hier gefällt Dir der Vergleich mit materiellen Werten, wie bei Punkt 1, auch nicht mehr.
„Voraussetzung ist natürlich, daß die Widerspruchslösung auch genügend thematisiert wird. (Schulunterricht, Anzeigen usw.)“ – Wenn sie überhaupt jemals kommen sollte, müsste meiner Meinung nach jeder potentielle Organspender PERSÖNLICH über alle Aspekte informiert werden – nicht allein über Medien oder was auch immer. Es müsste 100-prozentig sicher gestellt werden, dass jeder umfassend informiert ist. Wer den Sachverhalt nicht überblicken und sich äußern kann und (noch) keinen gesetzlichen Betreuer hat, darf nicht einfach zum Organspender erklärt werden.

Zu Deiner Frage.
Die Angehörigen werden nur dann von einer schweren Verantwortung befreit, wenn sie aus dem gesamten Entscheidungsprozess herausgehalten werden. Das ist weder in Österreich so noch ist das im Beschluss des Ethikrates so vorgesehen. Statt einem notwendigen ja bei der Zustimmungslösung werden sie nun – unter Umständen – gefragt, ob sie etwas dagegen haben bzw. wie denn der mutmaßliche Wille war. Kommen sie da letztlich nicht in die gleiche schwere Verantwortung? Zumal der Arzt natürlich alle Argumente für die Organspende vorbringen wird, aus Angst, sie könnten nein sagen – eigentlich doch genau wie bei der Zustimmungslösung, oder?!
Und eine Entscheidung im Sinne des Verstorbenen ist auch hier nicht 100-prozentig sicher. Wurde nicht offen darüber gesprochen, kann nur gemutmaßt werden – egal welche Lösung.
Für die Angehörigen wird die Situation/Entscheidung immer extrem schwierig sein. Aber aus dem Entscheidungsprozess heraushalten wäre auch keine gute Lösung. Das will ja auch der Ethikrat nicht.

Im Grunde denke ich, wir machen uns hier über Sachen Gedanken, die in Deutschland nie Realität werden... ;-) Aber eine interessante Diskussion!!

VG
MaRIO

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 05 Mai 2007 09:43 #448417

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Wir Patienten diskutieren ja relativ sachlich. Leider ist das in der Öffentlichkeit so nicht der Fall. Die Reaktionen der ersten Welle auf den Ethikrat-Vorschlag sind verheerend. z.B:
www.morgenweb.de/meinung/leserbriefe/ber...rv0000000697649.html
Ein noch schlimmerer, sehr emotionaler, Leserbrief war heute im Mannheimer Morgen, der aber noch nicht ins web gestellt ist. Da so eine Reaktion vorhersehbar war, stellt sich die Frage nach der Zielrichtung des Ethikrates. Stecken weitere Ineressen dahinter? Und wie ist eigentlich die tatsächliche Meinung in der Bevölkerung?
Als Patienten können wir nur eines tun: sachliche Leserbriefe schreiben und so die zweite Welle die hoffentlich folgen wird, die Anti-Gegenwelle, zu unterstützen. Also ich setze mich mal hin, versuche was zu antworten...
Grüsse Grille

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Re: Der Ethikrat und der Vorschlag 05 Mai 2007 23:30 #448419

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...versuche was zu antworten...


... das ist Dir sehr gut gelungen! Hoffentlich lesen es recht viele!


pit

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Hi :)