Rio,
offensichtlich hab ich mich nicht klar genug ausgedrückt.
Die Knochenveränderungen kommen vom hohen Phosphat, nicht vom Ausfällen des Kalziums. Das Ausfällen kreiert andere Probleme, wie zum Beispiel den extremen Juckreiz in den unteren Extremitäten. Damit es zum Ausfällen kommt muß man schon besonders exzessiv und hirnlos fressen und wie blöde Kalzium einwerfen. Ich hab es nur 2 oder 3 mal geschafft und das war sogar für so einen Unverbesserlichen wie mich letztendlich eine Lehre.
Ich habe Renagel bereits 1 Jahr vor der Zulassung in Deutschland auf Privatrezept in der Internationalen Apotheke bekommen, mußte es aber komplett selbst bezahlen. Da es nach meiner Erfahrung den Phosphatspiegel nur unwesentlich besser senkt als Kalziumazetat kann man damit einer Diät auch nicht entfliehen, sonst setzt der Knochenabbau ein. Heute halte ich meiner Diät und langen Dialyezeiten das Phosphat immer im Normbereich ohne Einnahme von Kalzium, Aluminium oder Renagel. Ich finde die phosphatarme Diät nicht so schlimm, Kalium zu sparen sehe ich als viel schwieriger an.
Wie man heute trotz des Wissens um die Aluminiumdemenz noch Antiphosphat schlucken kann ist mir ein Rätsel. Es bindet zwar Phosphat ungleich besser als alles andere, man tauscht damit aber Phophatsenkung mit Verblödung. Als Kurzzeitersatz gegen das Ausfällen von Kalzium ist es dennoch geeignet, die Verblödung setzt nämlich erst nach langjähriger kontinuierlicher Einnahme ein. In meinem KfH wird der Kurzzeiteinsatz genau so gehandhabt. Korrekterweise musst du also den Preis von Renagel mit Kalziumazetat vergleichen und das kostet so gut wie nichts. Ich kriegs vom Zentrum nachgeworfen und es ist, genau wie die Vitamine, in der Pauschale für die Dialysebehandlung beinhaltet. Das heißt die Kassen bezahlen dafür kaum was extra. Sicher könnte man die Pauschale etwas senken wenn man Kalzium mit Renagel tauscht, aber nur unwesentlich.
Jetzt zum Renagel. Wie du bereits erwähnt hast kosten 200 Kapseln DM 361,92. Das heißt eine Kapsel kostet DM 1,81. Gut, fangen wir mal an zu rechnen:
12 Kapseln pro Patient pro Tag * 365 Tage = 4380 Kps.
Das entspricht DM 7.927,80 im Jahr pro Patient. Zur Zeit gibt es ca. 50.000 Dialysepatienten in Deutschland. Ich muss also multiplizieren:
DM 7.927,80 * 50.000 Patienten = DM 396 Millionen !!!
Selbst wenn man es nur den Patienten gibt welche nicht auf ein Transplantat warten ergibt sich immer noch ein Betrag von DM 301 Millionen. Bei den momentanen Kosten der gesetzlichen Krankenkassen für die Dialysebehandlung von über 5 Milliarden Mark entspricht dies einer schlagartigen Erhöhung um mehr als 6 Prozent.
Damit hat man aber als Patient noch immer keinen Vorteil. Eine wesentlich wirksamere Senkung des Phosphats und damit Verhinderung des Knochenabbaus ohne phosphatarme Ernährung erreicht man nur mit deutlich höheren Dosen als den angesetzten 12 Renagel pro Tag. Die hohen Kosten würden dann natürlich entsprechend weiter explodieren. Aus diesem Grund ist übrigends in den USA der anfängliche Enthusiasmus bezüglich Renagel deutlich zurückgegangen. Dort kriegt es der normale Medicare-Patient sowieso nicht. Wenn ich die o.g. Zahlen betrachte kann ich das zaghafte Verschreiben von Renagel verstehen.
Die Zahl der Dialysepatienten steigt durch die epidemieartige Verbreitung der neuen Volkskrankheit Diabetes-II jährlich stark an. Ein deutliches Defizit der gesetzl. Krankenkassen mit den unvermeidlichen Beitragserhöhungen scheint sich bereits jetzt abzuzeichnen. Ich glaube es ist von uns Dialysepatienten nicht zu viel verlangt etwas auf die Diät zu achten und abzuwarten bis Renagel ebenso billig ist wie Kalziumazetat. Es scheint sich bei Renagel um eine Art Harz zu handeln, die Herstellung wird sicher bald billiger und dann kriegen es sowieso alle. Spätestens mit dem Auslaufen des Patents werden auch billige Nachahmerpräparate auf den Markt kommen.
Ich persönlich fände es wesentlich besser wenn alle Patienten bessere und modernere Medikamente gegen Bluthochdruck verschrieben bekämen. An den Herz- Kreislaufproblemen sterben nämlich letztendlich über 70% der Dialysepatienten, und einige davon könnte man durch neue und besser verträgliche, wenn auch teure Blutdrucksenker vielleicht retten. Ich glaube viele zentral wirksame Senker landen aus verständlichen Gründen im Ausguss. In meiner Catapresanzeit bin ich rumgelaufen wie ferngesteuert, vom Verlust jeglicher Libido gar nicht zu reden.
Dass es in Deutschland eine 2-Klassengesellschaft im Gesundheitswesen gibt ist klar. Ich habe mich damals privat versichert weil es deutlich billiger war als die Gesetzliche. An eine bessere Versorgung bzw. eine chronsiche Erkrankung hab ich im Alter von 22 Jahren wirklich nicht gedacht. Ich hätte heute keinerlei Problem damit alle privaten Krankenkassen abzuschaffen und alle Bürger zwangsweise gesetzlich zu versichern. Dann kämen endlich mal eine Menge fetter Beitragszahler dazu und das würde allen nützen. Man wird halt ein bisschen klüger im Alter. Aber eine 2-Klassengesellschaft gibt es dann immer noch, es gibt genug wirklich Reiche die alles selbst bezahlen können.