Liebe Cori
(Björn: Danke für die Blumen. Meinst Du fachmännischer Rat in Sachen Mutter-Tochter-Beziehung oder wolltest Du Theodora schreiben?)
Nochmals Liebe Cori,
Bist Du auch so eine Miss-Fix-It, wie ich, die meint, für jedes Problem eine Lösung finden zu können und zu müssen? Ich habe auch schon Helfersyndrom gehört, um den Charakterzug zu beschreiben, der einem dazu drängt, die Probleme anderer zu seinen eigenen zu machen und manchmal sogar körperlich zu leiden, ob der Hilflosigkeit wenn man keine Lösung findet.
Kinder (Töchter) sind nicht verpflichtet, die Probleme ihrer Eltern (Mütter) zu lösen. Das war die wichtigste Aussage eines Gesprächs mit einem Psychologen, welches ich nötig hatte, weil ich fast verzweifelt bin, ob der damaligen Situation meiner Mutter (missglückte Transplantation gefolgt von einem schweren seelischen Tief). Der obige Satz hört sich vielleicht banal an, aber ich habe mich damals wieder fassen können. Danach habe ich mich eigentlich nicht weniger um meine Eltern, insbesondere meine Mutter gekümmert (entgegen dem Rat des Psychologen), aber ich tue es jetzt (meistens) freiwillig und nicht aus Pflichtgefühl. Und manchmal lasse ich sie einfach machen, ohne mich einzumischen.
Ich stimme Björn und Anja in fast allem zu und bin auch der Meinung, dass Unterstützung / Rat von einer unabhängigen (vor allem nicht-verwandten) Stelle Dir helfen könnten, Deine Kräfte wieder etwas zu sammeln, wieder etwas Luft zu bekommen, Deinen Ärger (!!) und Deinen Schmerz mitteilen zu können usw. Psychologen sind dazu prädestiniert - aber man muss eben den passenden zur Hand haben oder finden.
Ich bin nicht ganz der Meinung von Björn, wenn er schreibt Bestimmt wäre es falsch, Deine Mutter zu irgend etwas zu drängen. ...... Das muß sachte und mit viel Gefühl angegangen werden.......
Ich glaube, dass es Momente gibt, wo man die Glac?©handschuhe ausziehen muss: wenn es nicht nur Gejammer ist sondern die Niereninsuffizienz weit fortgeschritten ist, die Werte wirklich schlecht sind, der Körper leidet (dem Patienten ist es ständig schlecht, isst nicht mehr, verliert immer mehr an Gewicht, wird immer schwächer) usw.
Dann muss Deine Mutter nüchtern mit den höchst unangenehmen Folgen einer fortgeschrittenen Niereninsuffizient konfrontiert werden, das heisst Sterben unter höchst unangenehmen Begleitumständen. Gleichzeitig müssen ihr die Therapien aufgezeigt werden, mit allen Vor- und Nachteilen.
Es ist nicht (mehr) an Dir, Ihr das alles zu sagen. Übergib diese Verantwortung ohne schlechtes Gewissen einer unabhängigen (=nicht-verwandten) Fachperson. Ist vielleicht der von Dir erwähnte Dialysearzt der Richtige? Ich würde ihm einen Tipp geben, damit er sich seelisch darauf vorbereiten kann und genügend Zeit reserviert. Er soll bohren, bis sie mit ihren Ängsten rausrückt und er darauf reagieren und sie beraten kann (vielleicht stellt sich dann heraus, dass sie eigentlich genau weiss, was Sache ist, aber dies Dir gegenüber nicht zugeben kann, weil sie nicht schwach und auf Deine Hilfe angewiesen sein will, weil sie Dich nicht belasten will - die Menschen sind manchmal sehr kompliziert). Wenn er sich dazu nicht berufen fühlt, soll er jemanden beziehen oder vorschlagen. Und wenn Deine Mutter dann auf Dich wütend ist, trags mit Fassung... und freu Dich über die Kräfte, die Du dann frei hast, um sie zu unterstützen, statt um mit ihr zu streiten.
Wenn sie trotz all dem nichts von der Dialyse wissen will, muss man sie wohl in Ruhe lassen und bei (begründetem oder unbegründetem) Gejammer ohne viel Worte oder Vorwürfe konsequent auf die Möglichkeiten zur Abhilfe hinweisen...
... und sie weiterhin lieb haben, egal ob sie störrisch oder vernünftig ist.
Herzlich,
Johanna
P.S.: Der anfangs erwähnte Psychologe war mir schon vorher persönlich bekannt und sympathisch. Das ist natürlich einfacher, als wenn man zuerst eine passende Person suchen muss.