Hallo TinaW! Hallo tempo!
Was ich schreiben möchte, trifft das Thema möglicherweise nicht ganz, aber es geht schon darum, wie der Komplex Organspende in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Es geht auch um das, worauf karo neulich im Forenbereich Transplantation unter gegen organspende hingewiesen hat.
Mit 16 habe ich mir vom Arbeitskreis Organspende einen Spenderausweis schicken lassen, diesen sorgfältig ausgefüllt und trage ihn seitdem bei mir. Ich bin auch zwei Wochen nach meinem 18. Geburtstag mit schlotternden Knien zum erstmöglichen Blutspendetermin gestiefelt und habe das eine Weile durchgezogen, obwohl ich hinterher jeweils nur mit Mühe bis nach Hause kam. Bei den letzten Malen war der HB zu niedrig zum Spenden; schließlich war das Abi geschafft und nach dem Umzug in die Großstadt war eh alles anders organisiert. Bald darauf wurde dann auch klar, daß ich eher _Empfänger_ von Blut und/oder einem Organ würde, als daß gegebenenfalls etwas von mir zu gebrauchen wäre (außer vielleicht der Hornhaut und solchen Spielereien).
Ich finde es zunehmend schwierig, das Bild in den Medien vom Komplex Organspende mit dem zusammenzubringen, was ich bis heute (bin inzwischen 26) von solchen Dingen weiß. Auch damals war mir bewußt, daß Hirntod kein absolut fixer Zustand sein kann wie Licht an oder aus, sondern eben ein Kontinuum: Irgendwo zwischen nie mehr bewußt leben können und Tod würde mit meinem vorausgegangenen Einverständnis versucht, zumindest jemand anderem mehr Lebensqualität bzw. überhaupt ein Weiterleben zu ermöglichen. Das fand und finde ich in Ordnung so.
Nicht in Ordnung finde ich hingegen, daß allgemein 1) eine Transplantation als die dauerhafte Lösung aller Probleme solcher Patienten erscheint und daß 2) die Problematik der Explantation kaum thematisiert wird.
zu 1)
Meine Mutter hat zu Anfang mal ganz zaghaft angemerkt, daß, wenn das mit der Dialyse denn mal sein müßte, sie mir eine Niere spendet, wenn das dann geht. Dabei war ihr zwar klar, daß da Gewebeparameter und solche Dinge für passen müssen und sie noch fit sein muß. Doch ganz sicher weiß sie nicht, daß sie mich damit nicht dauerhaft so gut wie gesund machen kann.
Bin ich zu weltfremd, wenn ich mir wünsche, daß die Begrenztheit der Lösung Transplantation ebenso allgemein bekannt ist wie das Erfordernis der Paßgenauigkeit?
zu 2)
Gesunde und kranke Menschen können ganz komplexe und in jeder Hinsicht schwierige Dinge lernen zu akzeptieren und ihre Form des Umgangs damit finden, wenn man ehrlich mit ihnen ist und hinreichend Empathie aufwendet, um sie ihnen zu erklären.
Daß die Angehörigen auf der von karo eingestellten Seite so reagieren, ist doch sehr nachvollziehbar und ganz klar auf Versäumnisse an anderer Stelle zurückzuführen. Es gibt noch viel schauerlichere Seiten, auf denen pflegerisches Operationspersonal im Rahmen einer psychologischen Studie von ihren Eindrücken von Explantationen berichtet. Da wird dann endgültig sehr deutlich, auf welchen Ebenen gearbeitet werden muß, um das Unbehagen allerorten in konstruktivere Bahnen zu lenken, statt daß einerseits Vereine wie der akos alles in Pastellfarben malen, zutiefst verletzte Angehörige in rot-grau und schwarzem Fettdruck wettern und das Pflegepersonal mit einem Kloß im Hals betreten schweigend dazwischensteht.
Ich finde es auch zunehmend schizoid, wenn allerorten auf der ach so geringen Spendebereitschaft der Bevölkerung herumgehackt wird, wo doch im Falle des Falles auch mit Spendeausweis die gegebenen Defizite in der Begleitung der Angehörigen und auch eine Betreuung der in die Explantation involvierten Pflegekräfte selbst so oft nicht gegeben ist.
Nicht vergessen werden darf, daß auch immer ein Nein zur Organspende eine völlig legitime Entscheidung bleiben muß.
In jedem (größeren) Krankenhaus könnten psychologisch ausgebildete Fachkräfte ebenso selbstverständlich sein wie die religiösen Vertreter - gar nicht zwingend extra dafür, sondern vielleicht als berufliche Qualifikation einiger Schwestern und Pflegern. Die wären dann speziell darin geschult, den Angehörigen am Krankenbett die Charakteristika der Hirntod-Diagnose zu vermitteln und das Abschied-Nehmen einzuleiten. Die Bitte um ein Einverständnis zur Explantation bliebe dem Arzt, doch auch in dessen Schulung für diesen Teils seiner Arbeit gibt es Nachbesserungsbedarf ...
In dem Prozeß, der der Einverständniserklärung nachfolgt, wäre dann wieder das spezifisch geschulte Pflegepersonal zuständig (mit purer Anwesenheit, Gesprächsangeboten, Adressen möglicher Anlaufstellen für die weitere Trauerarbeit usw.).
Wie so oft kann man die meisten Verbesserungswünsche durch Argumentationen von Mangel an Zeit und Geld zusammenstreichen - auch den, daß die Explanteure ihre eigenen OP-Schwestern und -Pfleger mitbringen mögen, um das Personal vor Ort nicht zu überfordern bzw. zumindest solche Ereignise mit qualifizierter Supervision nachzubearbeiten.
Schauermärchen helfen niemandem weiter, Schönfärberei aber ebenso wenig; nur Politik und Bild-Zeitung halten die Allgemeinheit für so beschränkt, daß sie ihr nur entweder schwarz oder weiß vorzusetzen wagen.
Isch harbe fertig ;-)
Freundliche Grüße,
fabienne