Hallo Mira,
ich liebe das Internet, weil man dort eben auch so sinnvolle Dinge wie Leitlinien finden kann, die einem etwas dabei helfen, die Empfehlungen und Taten der eigenen Behandler einzuordnen:
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Versorgung von Patienten mit chronischer nicht-dialysepflichtiger Nierenerkrankung in der Hausarztpraxis
Mir erscheint es schon begründungsbedürftig, warum man den diagnostizierten sekundären Hyperparathyreoidismus nicht behandeln möchte. (Aktives Vitamin D ist verschreibungspflichtig und bezieht sich auf etwas anderes als der mediale Hype um den Mangel an "normalem" Vitamin-D und der Preisung von dessen Substitution als Allheilmittel.) Ich habe schon bei einer GFR um 40 ml/min Alfacalcidol verordnet bekommen.
Falls Eiweiß im Urin ausgechieden wird, ist die Verordnung einer niedrigen Dosierung eines Blutdruckmedikaments aus der Wirkstoffklasse der ACE-Hemmer
oder AT1-Antagonisten (= Sartane) auch dann üblich, wenn der Blutdruck nicht zu hoch ist. Dies soll die Eiweißausscheidung reduzieren und das Herz schützen.
Eiweißmoleküle sind relativ groß und würden bei gesunden Nieren nicht durch die Nierenfilter in den Harn durchrutschen. Wenn sie es doch tun, dann zeigt dies zum einen, dass mit dem den Nieren etwas nicht in Ordnung ist. Auf der anderen Seite schädigt das Durchrutschen dieser großen Moleküle durch die Nierenfilter die Struktur dieser Filter zusätzlich. So verschlechtert sich im Laufe der Zeit die Nierenfunktion weiter. Deshalb das Bemühen um die Verringerung der Eiweißausscheidung.
Falls schon ein Eisenmangel besteht, gehört auch dieser behandelt.
Und es kann einfach nie zu früh sein, um Patienten mit auffälligen Nierenwerten einzuschärfen, dass sie bestimmte Klassen von Schmerzmitteln nicht nehmen sollen und dass sie
jedem Arzt, der ihnen irgendein Medikament* geben möchte,
immer die Nierenwerte vorlegen. So kann er Wirkstoff-Wahl oder/und Dosierung anpassen.
Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamine, Mineralstoffe, andere frei verkäufliche Mittel) sollte immer mit dem Arzt abgestimmt werden und auf dem persönlichen Medikationsplan stehen (den man wie die Laborwerte zu
jedem Arztbesuch mitnimmt).
Bei der Ernährung möchte ich in gewisser Weise widersprechen. Die durchschnittliche Ernährung weicht in der Regel von den wissenschaftlichen Empfehlungen zu einer gesunden, abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung ab. Sie ist meist zu eiweißreich und enthält zu viel Salz. Hinzu kommt, dass immer mehr Leute extreme Ernährungsformen paktizieren oder radikale Diäten austesten, die bei vorgeschädigten Nieren dann etwas ins Rollen bringen können (z.B. eiweißbetonte Ernährungsformen), was hinterher niemand reparieren kann.
So gesehen sollte durchaus frühzeitig ein großes Augenmerk auf eine Normalisierung der eigenen Ernährung und Lebensführung (meint: Abgleich mit den allgemeinen Empfehlungen für Gesunde) gelegt werden, um den 'angeknacksten' Nieren und dem dadurch belasteten Organismus insgesamt etwas gutes zu tun. Einige Stichpunkte ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
° Eiweißzufuhr um 0,8 g je Kilogramm Körpergewicht am Tag
° Salzzufuhr kleiner 6 g am Tag
° gute Trinkmenge herausfinden
° Vorsicht bei Fructose/Fruchtzucker wegen Harnsäureanstieg und Gicht-Potential sowie unguter Fetteinlagerung
° Vorsicht bei Fertigprodukten/hochverarbeiteten Lebensmitteln wegen Phosphat (Hyperparathyreoidismus) und Salz
° bei Abnehmwillen keine Radikaldiäten
° auch ein strammer Spaziergang ist Sport, wenn sonst keine Sportart passt oder zu anstrengend ist
° Stress meiden und genug schlafen, ggfs. Entspannungstechniken erlernen
Salopp gesagt: Ein Transplantat und die damit verbundene heftige Medikation sowie die Verantwortung für den Spender werden es an Lebensqualität keinesfalls mit einer GFR von 38 ml/min aufnehmen können. Dein Job ist es, Dich um den Erhalt der Funktion Deiner eigenen Nieren zu kümmern.
Dass der Nephrologe immerhin halbjährlich weiter beobachtet, spricht zumindest für ihn. Sollte sich im Laufe der Zeit erweisen, dass er zu desinteressiert agiert, lohnt sich die Suche nach einem Nephrologen, der sich mit Dir um den Erhalt Deiner Nierenfunktion bemüht statt auf die Transplantation zu verweisen. Diese Nierenersatztherapie ist eine Alternative zur Dialyse aber nicht zu dem, was die eigenen Nieren auch bei eingeschränkter Funktion leisten.
Freundliche Grüße,
fabienne
* gilt auch für Kontrastmittel für Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT)