Hallo Kalli,
ich möchte gerne auf Deine Frage eingehen, wie es zu einem so hohen Harnstoffwert kommen kann, obwohl die Schadstoffe während der Dialyse rausgefiltert werden.
Ich verstehe Deine Beunruhigung darüber und dass Du nach einer Antwort suchst.
Persönlich finde ich es immer gut, wenn jemand nach Antworten sucht, um Vorgänge besser verstehen zu können.
Harnstoff entsteht wenn Eiweiß (Nahrungseiweiß oder auch Körpereiweiß) abgebaut wird. Der Abbau von Nahrungseiweiß ist die Voraussetzung dafür, dass der Körper es verwerten kann.
Die gesunde Niere scheidet den dabei anfallenden Harnstoff aus, so dass der Wert im Blut bei Gesunden unter 50 mg/dl bleibt.
Eine kranke Niere kann nicht mehr genügend Harnstoff ausscheiden und er häuft sich im Körper an (im Blut, den Körperzellen und in den Zellzwischenräumen).
Während der Dialyse wird ein Teil des Harnstoffs, der sich im gesamten Körper angehäuft hat, "herausgewaschen".
Wenn ein Harnstoffwert unter der Dialysebehandlung ansteigt hat das immer einen Grund. Hier möchte ich ein paar Gründe dafür anführen.
Meine Ausführungen erheben bei Weitem nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sind als kurze Zusammenfassung zu verstehen. Auch die Reihenfolge der aufgeführten Punkte ist nicht nach der Ursachenhäufigkeit gewählt, sondern thematisch angeordnet.
1. Hohe Eiweißzufuhr bei abnehmender Nierenfunktion
Eine ausreichend hohe Eiweißzufuhr ist grundsätzlich als sehr positiv zu bewerten, da die meisten Dialysepatienten zu wenig Eiweiß zu sich nehmen. (Eine zu geringe Eiweißzufuhr führt zu einem Abbau von Muskelzellen.) Da bei den meisten Patienten eine Dialysebehandlung ca. 4 Stunden dauert, ist die Harnstoffentfernung auf die ca. 4 Stunden begrenzt. Die 4 Stunden Reinigungszeit reichen bei den meisten Patienten auch aus, zumindest dann, wenn die Niere noch eine Restfunktion hat. Wenn diese Restfunktion nachlässt, steigen die Nierengifte (dazu gehört auch Harnstoff) im Blut an. Bei einem Patient mit 40 kg Körpergewicht fällt das nicht so sehr ins Gewicht, da seine Gesamtmenge an Nahrungszufuhr und damit auch an Eiweißzufuhr sehr begrenzt ist. Ein Patient mit 100 kg Körpergewicht wird sich aber deutlich mehr Nahrung und damit auch Eiweiß über die Nahrung zuführen. Bei diesem Patient wird sich eine abnehmende Nierenfunktion deutlicher in den ansteigenden Nierenwerten zeigen.
2. Unzureichende Nahrungszufuhr
Wenn sich ein nierenerkrankter Patient deutlich zu wenig Eiweiß zuführt, baut der Körper vorhandene Energiedepots, das sind erstmal die Muskelzellen, im Körper ab. Dadurch wird der Harnstoff aus den Zellen freigesetzt und strömt ins Blut. Auch hier wird der Harnstoffwert unterschiedlich, je nach vorhandener Körpermasse des Patienten, ansteigen.
3. Unzureichende Dialyseleistung/Dialysequalität
Wenn die unzureichende Dialyseleistung /Dialysequalität die Ursache für einen erhöhten Harnstoffwert ist, zeigt sich das in aller Regel auch an einem Anstieg weiterer Nierengifte.
Da Harnstoff bei nierenerkrankten Patienten überwiegend durch die Dialyse entfernt wird, muss man sich bei hohen Harnstoffwerte auch immer die jeweilige Dialyseleistung/Dialysequalität anschauen.
Eine nicht ausreichende Dialysequalität kann verursacht sein durch eine generell zu kurze Dialysezeit bei erhöhtem Körpergewicht (siehe oben).
Bei einem erhöhten Anfall von Nierengiften kann es durchaus nötig sein, die Dialysezeit zu erhöhen. Eine längere Dialysezeit bedeutet eine bessere Reinigung des Körpers von Giftstoffen und reduziert damit die Spätkomplikationen (eine gesunde Niere reinigt den Körper an 168 Stunden in der Woche). In unserer Dialyse machen viele Patienten, vor allem jüngere Patienten, oder Patienten, die mehr Gewicht auf die Waage bringen, 4,5 Stunden oder 5 Stunden Dialyse.
Eine weitere Ursachen bezieht sich auf den Dialysezugang.
Probleme am Dialyseshunt (z. B. Engstellen im Zufluss- oder Abflussbereich des Shunts), können die Dialysequalität erheblich verschlechtern. Hier kann ein Ultraschall des Shunts Klarheit schaffen.
Weiter führen nicht korrekt ausgeführte Shuntpunktionen (z. B. zu eng aufeinanderliegende Punktionsnadeln oder Nichtbeachtung der Flußrichtung eines Loops) zu einer Verschlechterung der Dialysequalität. Ebenso führt ein schlecht laufender Dialysekatheter zu einer Verschlechterung der Dialyseleistung.
Auch ein am Dialysegerät eingestellter nicht optimaler Blutfluss verschlechtert die Dialysequalität. Bei der Blutflussgeschwindigkeit hat jedes Dialysezentrum eigene Richtlinien. Bei uns ist der anzustrebende Blutfluss 380 ml/min.
Soweit ein "kleiner Überblick" über mögliche Ursachen eines zu hohen Harnstoffwertes im Blut.
Die bei Dir erhöhte Wassereinlagerung und die damit verbundene Atemnot ist nur dann im Zusammenhang mit dem erhöhten Harnstoffwert zu sehen, wenn Du zur Zeit sehr wenig Nahrung zu Dir nimmst (oder gar fastest) und das Dialysezentrum Dein Sollgewicht nicht nach unten korrigiert.
Die Zusatzdialyse und die verlängerte Dialysezeit sind eigentlich der richtige Weg um dem hohen Harnstoff entgegenzuwirken. Trotzdem wäre es gut, parallel dazu nach einer Ursache zu suchen.
Alles Gute Dir weiterhin.
Heka59