Es ist für Aussenstehende natürlich unmöglich, abzuschätzen, wie die beiden Spender wirklich aufgeklärt wurden UND wie die Aufklärung bei ihnen angekommen ist. Was haben sie wie verstanden? War der Zeitpunkt der Aufklärung falsch gewählt, erfolgte die Aufklärung unter Zeitdruck, waren die Spender unter einem moralischen Druck und niemand hat es erkannt... oder berücksichtigt? Gibt es einen nachträgliche-Reue-Anteil, der nichts mit den medizinischen Problemen (Fatigue) zu tun hat? War die Betreuung nach der Spende ungenügend?
Ich kenne drei Ehepaare, bei denen jeweils der eine Ehepartner dem anderen eine Niere geschenkt hat.
Bei mir war es so: In einer Zystennierenfamilie gibt es normalerweise mehrere Generationen von Betroffenen, in verschiedenen Stadien. Meine Spenderin (eine nahe Verwandte) hat ihre Spendebereitschaft vor Jahrzehnten das erste Mal geäussert und als der Zeitpunkt näher kam, ca. 2 Jahre vor der Transplantation, hat sie es wieder getan, ohne dass ich sie gefragt hätte. Sehr wichtig war, dass ihre Familie, Ehemann und erwachsene Kinder, auch einverstanden waren und ihre Beweggründe verstanden. Es folgten medizinische Abklärungen und ein Gespräch zwischen ihr und meinem Nephrologen. Dann folgte eine Pause, bis ich dialysepflichtig wurde. Ich habe sie bis dahin mit Unterlagen versorgt (1) und geschaut, dass alle Fragen, die auftauchten, beantwortet wurden. Und natürlich blieben wir auch einfach so, wie vorher, in Kontakt. Etwa 1 Monat vor der Transplantation folgten nochmals medizinische Abklärungen und ein Gespräch mit einer Psychiaterin mit Spenderin und Empfängerin, einzeln und gemeinsam.
Was in ihrem Kopf vorging während dieser Zeit, den rund 2 Jahren, habe ich natürlich nur mitbekommen, wenn sie darüber mit mir gesprochen hat
Natürlich wäre es für mich "schlimm" gewesen, wenn sie sich doch noch anders entschlossen hätte (sie hatte das Recht dazu, bis sie im OP war...), aber ich hätte es akzeptieren und eine andere Lösung suchen müssen, dh zuerst mal sofort an die Dialyse.
Die Betreuung "Vor-der-Spende" ist genau so wichtig, wie die "Nach-der-Spende":
Nach der Spende werden die Spender in der Schweiz von einer speziellen Organisation betreut, einem Verein, den es seit 2004 gibt. Die Beweggründe, die zur Gründung des Vereins geführt haben, sind
hier
beschrieben, kurz: "Die Lebendorganspendenden [] fühlen sich nach der Operation oft auf sich alleine gestellt, speziell in medizinischen und versicherungstechnischen Fragen und nicht zuletzt auch bei psychischen Schwierigkeiten." und der Verein setzt sich für die Lösung der daraus entstehenden Probleme ein.
Aber alles kann noch so optimal vorbereitet, durchgeführt, überwacht und angeboten werden. Ein Mensch ist immer ein Mensch und was das Leben bringt und mit dem Menschen macht, ist nicht voraussehbar.
(1) wen's interessiert: Der Verein hat einerseits eine Webseite, mit vielen Informationen. Aber wichtiger finde ich die Broschüre
Schweizer Lebendspenderbroschüre
, die man sich ausdrucken, x-mal durchlesen und darüber nachdenken kann. Notizen machen, Fragen notieren, von kompetenter Stelle beantworten lassen, in der Familie herumreichen und darüber diskutieren - so wäre es gedacht.
Es würde mich (und andere vielleicht auch) durchaus interessieren, wie eine Lebendspende normalerweise, unter optimalen Umständen, in Deutschland abläuft.