Liebe Susanne und Debi
Danke für Eure Beiträge! Ich stelle immer wieder fest, ich schreibe etwas . . . und müsste noch 1000 Worte hinzufügen, um zu präzisieren, wie ich es genau gemeint habe.
Ich glaube nicht, dass Transplantation besser oder schlechter als Dialyse ist, sondern ANDERS. Beides bedeutet Überleben, daran gibt es nichts zu rütteln und das weiss auch meine Mutter (der Vergleich mit Herz-/Lungen- und Leberpatienten ist ihr und unser Standardargument). Sie hat übers Wochenende mit meinem Vater und meinen Geschwistern und mir viel darüber gesprochen und ich hatte eigentlich das Gefühl, sie wollte von uns (wie eine Art Echo) ihre Meinung bestätigt hören: Ja, auch wir glauben nicht, dass sie aufgeben soll, d.h. nicht mehr an die Dialyse, d.h. sterben. Sondern, dass sie, wenn es soweit kommen sollte, wieder zurück an die Dialyse geht und sich auch überlegt, sich nochmals auf die Liste setzen zu lassen (weil sie Blutgruppe 0 hat, kann es jedoch wieder recht lange gehen).
Was ich als Unterschied TX-Dialyse ansehe:
Bei der Dialyse bewegt sich das Gefühlsleben eher ausgeglichen innerhalb einer bestimmten Bandbreite. Es gibt nicht viele Tiefen, aber auch nicht viele Höhen, es gibt wenig Überraschungen, die Ereignisse sind ziemlich genau berechenbar, die Wochen sind streng strukturiert: Während dieser Zeit bin ich an der Dialyse, während der Zeit erhole ich mich und über die restliche Zeit kann ich insofern verfügen, als dass ich immer streng Diät halten muss und nicht gerade sehr leistungsfähig bin. Meine Mutter war 10 Jahre an der HD (andere Dialysearten kommen bei ihr nicht in Frage). Sie hat die Dialyse jeweils relativ gut ertragen (mit den üblichen gelegentlichen Blutdruckabfällen, undichten Stechstellen, techn. Problemen, Muskelkrämpfen, unzähligen verpassten Anlässen usw.), sie konnte die Diät einhalten, aber das ganze hat sie viel Kraft und Energie gekostet.
Bei einer Transplantation gibt es im Gefühlsleben viele Höhen (man kann seine Zeit wieder frei einteilen, Besuche machen, muss keine Diät mehr halten, hat mehr Energie usw.) aber auch viele Tiefen (starke Medikamente mit Nebenwirkungen, Überraschungen und die Angst davor - die erste Transplantation ging ziemlich schief, meine Mutter ist damals fast gestorben, die zweite Niere hat auch ziemliche Macken und schon einige angstvolle Zeiten verursacht).
Sowohl Dialyse als auch Transplantiert-sein ist auf die Dauer zermürbend, vielleicht nicht bei allen gleich stark, aber ich glaube, je älter der Mensch wird, desto schwerer fällt es, das Kinn immer oben zu halten. Meine Eltern, sie ist 63, er ist 76, hatten es nicht gerade leicht im Leben, aber mit vereinten Kräften haben sie es immer geschafft. Für meinen Vater, der an schwerem Bronchialasthma leidet, ist es selbstverständlich, dass er sie zur Dialyse fährt, weil er sie so unterstützen kann (übers letzte Wochenende haben wir aber auch über alternative Möglichkeiten gesprochen, die meinen Vater entlasten könnten, wenn es nötig sein sollte).
Worst-case-Szenario: Für meine Mutter ist es schlimm, wieder zurück an die Dialyse zu müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für jemanden anders nicht ein Schock ist, wenn das Transplantat verloren geht. Zudem ist eine Abstossung ist nicht ohne Risiko, die Entfernung des Transplantats bedeutet eine Operation mehr, die erste Dialyse nach der Entfernung geht auch nicht ohne Dramatik vor sich. Das hatte meine Mutter alles schon mal. Zweifellos, an die Dialysezeit selbst wird sie sich wieder gewöhnen und ihr Leben drumherum arrangieren.
Psychotherapeutische Hilfe: Bis jetzt ging es fast ohne. Während des Krankenhausaufenthaltes nach der 2. Transplantation wurde sie psychotherapeutisch betreut, das gehörte zur Nachsorge. Eine regelmässige Therapie möchte sie nicht. Es ist schwer zu sagen, ob es ihr eine Hilfe sein würde, weil der Erfolg stark von der Einstellung zur Therapie abhängt. Seit einigen Monaten bekommt sie ein Antidepressivum, welches ihr, wie sie selbst feststellt, einiges hilft. Wir versuchen in der Familie auch, einander gegenseitig zu helfen, Probleme nicht zu verstecken, sondern auszusprechen, was einem bewegt. Reden, reden, reden ... unsere Familie besteht jedoch nicht gerade aus extrovertierten Mitgliedern und das Gespräch in Gang zu bringen/zu halten ist oft gar nicht so einfach, es kann auch recht belastend sein ist auch nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Ein endloses Thema...
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Eine kleine Korrektur noch zu meinem ersten Beitrag: meine Mutter bekommt nicht wieder Cellcept zu Prograf sondern Myfortic.