Liebe User,
bitte verzeiht vorab, dass ich heute mal hier Luft ablassen muß, auch wenn es nur ganz entfernt mit Dialyse oder/und unseren Krankheitsbildern allgemein zu tun hat.
Es geht um meine Eigeninitiative in meinem Job. Wie die meisten ja wissen, bin ich selbständig. Und da muß man sich ja nun mal drehen, ob man will oder nicht. In der Vergangenheit habe ich das oft recht stiefmütterlich gehandhabt mit dem Marketing in jeglicher Form. Die Gründe waren vielfältig: Geldausgaben, immer die Frage, ob es was bringt, keine ehrlichen Resonanzen, und natürlich meine Dialyseeinschränkungen. Damit einher ging natürlich immer mein Bewußtsein, dass ich ja sowieso nicht so kann, wie ich möchte. Also warum dann investieren, wenn ich nicht alles im Job geben kann? Ich wollte doch nur leben, ganz normal, nicht abgehoben, schon gar nicht reich sein, einfach bloß über die Runden kommen. Und das war und ist auch heute nicht so einfach. Jetzt werden viele denken: Der ist doch Anwalt. Dem gehts doch gut. Ich kann nur sagen, ich weiß oft am Ende des Monats nicht, wie es weiter geht. Schulden möchte ich auch nicht unnötig machen. Trotzdem bin ich zufrieden. Ich weiß, was ich für wertvolle Geschenke bekommen habe und dass es im Leben ganz wesentlich auf anderes ankommt und bin mit bewußt, dass alles, was ich jetzt erlebe, zeitlich begrenztes Glück ist, das irgendwann wieder zur Dialyse führt. Damit will ich nicht sagen, dass man an der Dialyse kein glückliches Leben führen kann. Es ist aber eben anders und hat andere Prioritäten, gezwungenermaßen.
Nun, nach der PNTX habe ich immer öfter und stärker das Gefühl, dass mir meine geschenkte Lebenszeit davonläuft und ich sie nicht voll ausnutzen kann. Ich will die Uhr anhalten und den Ist-Zustand für immer bewahren. Ich weiß sehr wohl um die Illusion dieses Gedankens, handele aber, als wäre morgen keine Zeit mehr dazu. Das heißt, ich bin voll engagiert im Job, mache Marketing mit viel Freude, engagiere mich in einer Selbsthilfegruppe unsere Dialysepatienten, bin Vorsitzender des Schachvereins, im Skatclub tätig, erschließe mir neue Einnahmequellen, mache Dinge, die ich vorher mir selbst nie zugetraut hätte.....
Und es kommt nichts zurück! Mandanten kommen nicht, mein eigener Vater kritisiert meine Marketingmaßnahmen als nicht passend. Das hat den Hintergrund, dass ich kostenlose Marketingprodukte von Druckereien bestellt habe, die ihm nicht gefallen und auch sonst nicht in das äußere Erscheinungsbild meiner Kanzlei (LOGO etc.pp) passen. Seine Worte: Das hätte ich Dir auch machen können, aber viel besser. Vorher hat er stets kritisiert, dass ich nichts fürs Geschäft tue und nur abwarte und rumsitze. Jetzt mache ich was, und zwar, ohne von ihm oder einem Dritten angeschubst werden zu müssen, und es ist auch nicht richtig. Wie gern würde ich jetzt zu meiner Frau gehen und mich ausheulen. Aber die gibts ja auch nicht! Obwohl ich da auch schon seit ca. 4 Wochen intensiv daran arbeite (Internet-Partnerbörse etc.pp.) und mir schon viel viel länger darüber Gedanken mache, wie ich eine Frau finden könnte. Auch daran wird rumgenörgelt: Ich solle mir doch endlich eine Frau suchen! Klasse, oder? Als wenn das so einfach wäre!
Mir macht das neue Leben ja auch super Spaß, nur es wird nicht honoriert, weder finanziell noch seelisch. Ich habe die Schn...so voll manchmal, würde alles hinschmeißen. Ich denke oft, vor nicht einmal 1 Jahr, da haben wir alle an anderes gedacht, hatten Angst um das blanke Leben. Es waren die existenziellen kleinen Dinge, die wichtig waren. Wie kann mein Vater das so schnell verdrängen? Ich will nicht unterstellen, dass man so etwas vergessen kann. Aber weiß er nicht, dass das jetzt alles die Zugabe ist? Für ihn normal, aber für mich?
In solchen Momenten muß ich dann auf DO gehen, um mich abzulenken und weil ich mich hier auch sehr wohl fühle. Dann lese ich so viele traurige Berichte, die sich um Probleme drehen, die ich auch mal hatte, Geschichten von Dialyseproblemen, Essen und Trinken, na ja, Ihr wißt schon!
Aber wie soll ein gesunder Mensch dann nachempfinden, wie es in mir aussieht? Auch jetzt noch. Kann man verdrängen, dass das JETZT eine Momentaufnahme ist, eine Zeitschleife, die irgendwann platzt und die Realität öffnet? Versteht bitte, es geht nicht darum, in Lithargie zu versinken.
Aber man braucht doch die Achtung, die Anerkennung, mal ein Lob, oder? Und das kommt nicht rüber.
Na ja, jedenfalls werde ich mir nicht vorwerfen können, nicht alles in meiner Macht stehende getan zu haben, um die mir geschenkte Lebenszeit optimal zu nutzen. Denn auch davor habe ich Angst, dass ich irgendwann rückblickend sagen muß, dass ich mehr hätte tun können. Was wollte ich nicht alles tun, mein Gott! Die Welt umarmen, um es auf den Punkt zu bringen. Ich kann nur einen kleinen Teil tun, aber das ganz intensiv und bewußt. Doch wo ist das Feedback?
Ich danke Euch für Eure Geduld und das Ertragen meines Jammerns
Björn, das beuteltier.