Hallo,
auch ich habe jetzt ein rundes Dialysejubiläum abgerissen.
Am 24.02.1995 erhielt ich meine erste Dialyse als chronischer Nierenpatient.
Also vor 30 Jahren
Ich war zwar mal 2,5 Jahre transplantiert, allerdings war von Anfang an klar, das dieses Transplantat nicht lange halten würde.
Die Niere hatte schlußendlich einen bösartigen Tumor entwickelt, was niemand vorher sehen konnte. Wahrscheinlich ist, das der Tumor schon bei der Transplantation in der Niere war.
Ich habe heute noch die tröstenden Worte des Chefarztes in den Ohren, der meinte: " Sie werden sehen, auch als Dialysepatient ist das Leben nicht zu Ende und noch lebenswert."
Habe damals, als ansonsten gesunder 30 jähriger Mann auf eine baldige Transplantation gehofft und gedacht, lass den mal reden.
Leider hat sich mein gesamzes Leben seitdem nur zum negativen gewandelt.
Die Nebenwirkungen waren die erste Zeit dfer Dialyse immens . Schlaflosigkeit und schweres RLS, was aber seinerzeit auf die Psyche geschoben wurde. Unsägliches Hautjucken nach jeder Dialyse.
Dann bekam ich die Auswirkungen der Erkrankung auf das tägliche Leben voll zu spüren.
Zuerst war die Karriere futsch, dann mussten wir aus finanziellen Gründen in eine günstigere Wohnung ziehen.
Als nächstes scheiterte meine langjährige Beziehung an der Belastung durch die Erkrankung.
Schließlich wurde ich aufgrund der Doppelbelastung auf Teilzeit in den Innendienst versetzt . Nachdem der mir wohlgesonnene Vorstand ausgetauscht wurde, gab es kein halten mehr und ich wurde systematisch aus der Firma gemobbt. Das Ziel, das erreicht werden sollte, war der Betriebsrentenanspruch der nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit entstehen würde zu vermeiden. Andere Kollegen, die ebenfalls noch einen so großzügigen Betriebsrentenanspruch wie ich hatten, wurden mit reichhaltigen Abfindungen zur rechtzeitigen Kündigung überredet. Bei mir ging das nicht, da ich als 100% schwerbehindert, praktisch vom normalen Arbeitsmarkt ausgeschlossen war. Also hat man es mit ganz fiesem Mobbing versucht.
Schlußendlich habe ich durchgehalten, bis dieser Anspruch rechtskräftig war und bin dann auf EU Rente gegangen.
Mein Plan war, nach einer erfolgreichen Transplantation vielleicht nochmal einen Nebenjob auszuüben.
Leider kam es, wohl auch aufgrund meiner nunmehr hohen Antikörper zu keiner weiteren Transplantation.
Zudem wurde ich 2 Jahre lang ohne das ich oder meine Ärzte das wussten, als Nicht Transplantabel geführt.
Ich hatte mich inzwischen mit der Nachtdialyse gut arrangiert.
Nach 20 Dialysejahren folgte dann der erste Herzinfarkt, ich bekam 3 Stents verpasst. Mindestens ein Jahr Blutverdünnung und wieder NT.
Nach einem Jahr habe ich dann das Clopidogrel abgesetzt um wieder transplantabel zu sein, bekam aber nach einigen Tagen schon wieder Probleme und erhielt den nächsten Stent .
Wieder ein Jahr mindestens nicht transplantabel.
Als dieses Jahr mit doppelter Blutverdünnung vorrüber war, bersorgte ich mir einen Platz in einer Psychosomatischen Klinik um den psychischen Belastungen einer erneuten Transplantation gewachsen zu sein.
Noch in der gleichen Woche bekam ich Herzrythmusstörrungen, die auch durch eine Kardioversion nicht dauerhaft behebbar war.
Dann ging es Schlag auf Schlag: PAvK, die in den letzten Jahren zum Verlust mehrere Zehen geführt hat und eine Makuladegeneration, die ich auch aufgrund der Coronazeit zu spät bemerkte, Dann wieder gefolgt durch einen Herzinfarkt 2021 und einer Herzbeutelteinblutung nach Herzkatheder, inclusive Wiederbelebung.
Diagnose von COPD und einem Lungenhochdruck. Dann folgten diverse Undichtigkeiten der Herzklappen und noch Andere "Baustellen"
Nach nunmehr 30 Jahren Dialyse bin ich ein körperliches und seelisches "Wrack".
Mein Leben spielt sich fast nur noch zwischen Dialyse und immer länger werdenden Erholungsphasen ab.
Nun bin ich also 60 Jahre alt, die Zeit meines Lebens mit Dialyse fängt an die Dialysefreie Lebenszeit zu übersteigen.
Also sitze ich alleine in meiner Wohnung erhole mich von der Dialyse, was immer schwerer fällt und warte auf die nächste Dialyse.
Die dialysefreien Tage sind auch oft durch Termine bei Fachärzten belegt, so daß mein jetzigea Leben fast nur noch durch die Krankheit bestimmt wird.
Zwischendurch nehme ich Antidepressiva , die mich davon abhalten komplett den Depressionen zu verfallen, mich aber gleichzeitig so dämpfen, das ich manche Tage gar nicht mehr hoch komme und keinen klaren Gedanken fassen kann.
Wenn ich mir die Biographien gleichaltiger Bekannter anschaue, erkenne ich, was ich alles im Leben verpasst habe in den letzten 30 Jahren . Keine Kinder keine Familie , keine Fernreisen , kein erfolgreiches Arbeitsleben. Nichts erreicht.
Alle Versuche eine neue Beziehung und Partnerschaft aufzubauen scheiterten schon im Ansatz an der Erkrankung, so das ich es die letzten 15 Jahre garnicht mehr forciert habe um den Enttäuschungen aus dem Weg zu gehen.
Ich habe zwar gute und langjährige Freundschaften, die mich die letzten 30 Jahre auch unterstützt haben, die aber mit zunehmenden Alter auch immer mehr mit sich selbst oder den Krankheiten ihrer jeweiligen Partner beschäftigt sind.
Familie die mich unterstützt habe ich auch keine mehr, meine Mutter starb 2021.
Was bleibt ist, das ich dialysiere, mich an den Tagen dazwischen erholen muss und von einem Leben außerhalb der Krankheit kein wirklicher Platz mehr ist.
Ich habe schon des Öfteren mit dem Gedanken gespielt, entweder gar nicht mehr zur Dialyse zu gehen oder sonstwie durch einen "Diätfehler" dahin zu scheiden.
Aber, obwohl ich meine weiteren Lebensaussichten als hoffnungslos betrachte, so hänge ich doch irgendwie am Leben und mache weiter.