Hallo Eowyn,
auch von mir ein klares JA, kenne ich von mir nur zu gut und habe neulich erst (mal wieder) darüber gegrübelt, warum das so ist.
Ich würde die Situation mit dem Heranwachen erwachsen werden vergleichen. Der blöde Unterschied ist, man hat im Alltag niemanden, der einen an die Hand nimmt, durchs Gröbste durchleitet und einem die Situation mit Weihnachtsmann und Osterhase angenehm macht. Man hat das Tx-Zentrum, man hat einen betreuenden Arzt, aber die Sorgen und Gedanken kommen zu anderen Zeiten.
Zum Zeitpunkt einer Transplantation ist man (jedenfalls die meisten) erwachsen, mündiger Patient, bekommt die 20ste Kopie einer Kopie mit den Do's und Don'ts eines transplantierten in die Hand und wird mit einem feuchten Händedruck ins kalte Wasser geworfen. Eine Art von Übergangszeit ist noch die Reha. Aber das Wissen, "wenn ich Mist baue, dann ist das tolle neue Leben vorbei", ist mal mehr mal weniger belastend.
Es ist sehr viel neu, der Körper gibt Symptome und Signale von sich, die er vorher nicht gegeben hat und ich weiß dann, wenn etwas neues kommt, ersteinmal nicht, in welche Schublade ich es einordnen soll. Ich kann im Prinzip mit allem umgehen, egal ob gut oder schlecht - wenn ich es einordnen kann. Kann ich das nicht, habe ich ein Problem. Einfaches Problem, einfache Lösung: Ich frage jemanden, der sich damit auskennt. Einfach für mich - oft nervig für andere. Auf der Transplantationsstation habe ich sehr viel gefragt, weil ich Dinge nicht einordnen konnte, auch wegen Lapalien, die für die Ärzte und das Pflegeteam dann eher nervig waren. Ja Leute, woher soll ich das denn wissen?? Wenn ichs wüsste, würd ich ja nicht fragen.
Ich habe 40 Jahre Diabetologe miterlebt. Anfang der 70er war der Arzt der Halbgott in weiß, der Patient klein und dumm und man hat ihn selten gesagt, warum er etwas machen soll, sondern nur, dass er es machen soll. Das hat sich in 40 Jahren komplett gewandelt. Der Patient wird geschult und bekommt mit dem Wissen das Werkzeug an die Hand, seine Therapie selbst zu managen und anzupassen und auch zu erkennen, wann es angesagt ist, energisch aktiv zu werden und wann gemächlicher.
Ich denke, dass ist auch hier das einzig hilfreiche; sich informieren, bis es zu den Ohren raus quillt. Wenn ich weiß, was kommen kann und welche Optionen ich dann habe, dann wird es mich nicht verängstigen, wenn diese Situation eintritt, sondern ich kann in meinem Repertoire an Optionen diejenige auswählen, die gerade hier und jetzt die am besten geeignete ist. Es bringt mich nicht in Panik, wenn ich in einem x-Stunden Stau stehe, weil ich meine Medikamente dabei habe. Wenn etwas eintritt, das komplett unbekannt ist und wo ich sofort bescheid wissen muss, dann gibt es je nach Zeit und Wochentag Anlaufstellen. Arzt, Tx-Station (24/7), Notaufnahme (24/7). Ich habe diese Nummern im Handy, ich habe Medikamentenplan und häuslichen Messungen im Handy, meine Laborwerte liegen in der Cloud.
Manchmal fühlt sich das Ganz einfach wie ein Wunder an. Das Geschenk und dass es funktioniert
Ja! Einfach genial.
Fazit: Ja, ich kenne die Sache mit den Sorgen. Vielleicht sollte man einfach den Sorgen ihren berechtigten und begrenzten Raum lassen, sie nicht vernachlässigen, und sich ansonsten dem Wunder widmen. Positive Lebenseinstellung ist eine nicht verordnungsfähige Komponente bei dem ganzen.
vG
Anja