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re: antikörper/glorifizierung 04 Sep 2001 16:48 #56474

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mittlerweile ist die diskussion ja schon weit fortgeschritten, ich versuche, noch ein paar gedanken beizusteuern:
1. umfassende information als pflicht für den arzt gebietet schon der respekt vor dem patienten, schließlich geht es um des patienten verantwortung für sein leben. das bedarf meines erachtens eine grundsatzentscheidung der professionellen helfer über die frage wer hat für was die verantwortung und wo sind die jeweiligen grenzen. hinter diesem gedanken steht die diskussion zum konzept empowerment. die entwicklung des patienten zum mündigen, verantwortungsvollen, selbst-entscheidenden menschen ist in vielen bereichen der medizin nicht weit fortgeschritten und von vielen auch nicht erwünscht. kleine ankedote: auf einer veranstaltung für nierenpatienten erwiderte ein ärztlicher referent sehr unwirsch auf meine genauen nachfragen: wie selbstbewußt wollen sie denn mit den ärzten umgehen, das wird ihnen aber nicht gut bekommen!
beispielhaft ist hier die schulung für patienten im bereich der diabetesbehandlung. das heißt allerdings daß sowohl die professionellen helfer als auch die menschen mit einer chronischen krankheit einen anderen umgang miteinander lernen müssen. herr grieger hat ja schon auf die bedeutung der arzt-patienten interaktion hingewiesen. dies weist über die reine informationsvermittlung hinaus. es kann durchaus sein, daß ein patient umfassende information bekommt, aber aus angst vor den veränderungen nicht in der lage ist, dies zu verarbeiten und für sich gute schlüsse draus zu ziehen. in der betreuung von nierenpatienten in den unterschiedlichsten stadien habe ich oft erlebt, daß die aufnahme und verarbeitung von informationen extrem unterschiedlich läuft. bis hin daß mache überhaupt nicht selber entscheiden wollen, sondern das dem arzt antragen. im therapeutischen gespräch bereite ich manchmal das gespräch mit dem arzt vor, erarbeite eine frageliste, die dann schriftlich mit zu dem gespräch genommen wird, ich übe, dem zeitdruck im gespräch zu widerstehen und erst aufzuhören zu fragen, wenn man das wesentliche verstanden hat.
wesenrlich ist, daß ich als patient es in die hand nehme, ich bin der experte, die expertin für mein leben, meine krankheit. so zu denken fällt manchen patienten schwer und auch vielen professionellen helfern.
ein gesichtpunkt, den johanna angesprochen hat, ist in diesem zusammenhang wichtig: informationen müssen wie gesagt ja auch verarbeitet werden. und das gelingt meistens nur portionsweise und manchmal nicht ohne professionelle unterstützung, weil oft die üblichen mechanismen der krisenbewältigung nicht ausreichen. informationen können sowohl angstauslösend als auch angstreduzierend sein. hier ein gleichgewicht zu finden ist für die psyche von großer bedeutung. ich muß wissen wann es zu viel für mich ist und ich sagen muß, das will ich jetzt nicht wissen. auch das abspalten und ausblenden negativer einflußgrößen ist manchmal eine notwendige überlebensstrategie. kein mensch kann damit leben, ständig in den abgrund des todes zu blicken. auch hier ist die unterscheidung wichtig: hilft mir diese strategie zum leben, oder hindert sie mich daran, mein leben in die hand zu nehmen und verantwortungsvoll auch mit der krankheit umzugehen.
die meisten menschen sehen beides, den wert und die kosten und verbringen ihr leben damit zu, zwischen beiden zu jonglieren.
einen satz den ich gefunden habe: und wenn von zeit zu zeit in der mitte des jonglierens und wurschtelns der ball einmal herunter fällt, ist es nicht wegen der persönlichen charaktereigenschaften des betroffenen ( z.b. zu viel getrunken) sondern weil chronisches jonglieren sehr schwierig, ermüdend und erschöpfend ist. jedem der dazu gezwungen ist, muß eine große hochachtung entgegen gebracht werden.
herzlichen gruß, in diesem sinne auf ein gelingendes jonglieren,
theodora

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Re: re: antikörper/glorifizierung 04 Sep 2001 18:18 #56477

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Ich bin für uneingeschränkte Aufklärung des Patienten. Dazu gibt es, auch rechtlich, keine Alternative. Alles andere ist letztendlich nichts anderes als Entmündigung, um es mal klar auszusprechen. Wir leben immerhin im 21. Jahrhundert und nicht zu Prof. Sauerbruchs Zeiten!

Einen anderen interessanten Aspekt kann man hier nachlesen: www.wissenschaft.de/sixcms/detail.php?id=101288.

Viele Grüße,

Monty

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Re: re: antikörper/glorifizierung 05 Sep 2001 11:05 #56482

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Das Recht auf uneingeschränkte Information hört sich zwar gut an, ist aber (wie so vieles, das gesetzlich festgelegt ist) REALISTISCH gesehen, ein wahrer Gummibegriff! Wenn Du, Monty, Patient und von Beruf z. B. Biologe bist, dann wird uneingeschränkte Aufklärung nicht dasselbe sein, wie wenn Du nur ein gut informierter Patient bist oder ein noch nicht so erfahrener usw. Was soll der zuständige Arzt alles mitteilen? Alles was ER zur zur Zeit SICHER weiss (das ist aus meiner Erfahrung relativ wenig . . .), alle Vermutungen, Befürchtungen, Erwartungen, Prophezeihungen, zu erwartende / mögliche und fast (!) unmögliche Nebenwirkungen, die laufenden Forschungsthemen, die Feldversuche usw. usw.
Schliesslich erhält der Patient in jedem Fall nur eine Auswahl der möglichen Informationen und diese Auswahl trifft der zuständige Arzt nach bestem Wissen und Gewissen (im idealen Fall, im nicht idealen ist der Arzt überlastet, überfordert, verärgert, nimmt den Patienten nicht ernst oder überschätzt / unterschätzt ihn). Ein aktiver Patient wird nachfragen und fordern (und an Grenzen stossen), sich selbst informieren usw. und so noch zusätzliche Informationen sammeln, ein nicht aktiver wird dies nicht tun und über weniger Informationen verfügen.
Das ist realistisch.

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Re: re: antikörper/glorifizierung 06 Sep 2001 17:02 #56490

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Es geht hier nicht um Realität und Wunsch. Das ist ja genau das Problem.

Ein Arzt muß den Patienten über alle zur Zeit dokumentierten möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen aufklären. In Bezug auf Medikamente hat er das Recht auf den Beipackzettel zu verweisen, bei Operationen wird es oft in einer Einwilligungserklärung definiert.

Informiert er nicht vollständig trägt er im schlimmsten Fall die Konsequenzen. Diese Konsequenzen sind in Deutschland nach meiner Auffassung leider noch nicht hart genug, aber das scheint sich zu ändern. Regeln gelten auch für alle anderen Berufsgruppen und ich sehe keinerlei Grund warum das ausgerechnet für Ärzte anders sein sollte. Ob der Arzt Lust, Zeit oder sonstwas hat oder nicht interessiert mich ehrlich gesagt einen Dreck und hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Wenn er nicht in der Lage ist seinen Beruf professionell durchzuführen sollte er diesen Beruf nicht ausüben.

Es gibt bei dieser Sache einen rechtlichen Hintergrund und der ist handfest. Auf psychologische Spielereien lasse ich mich hier nicht ein, die haben bei einem solchen Thema nichts verloren und fügen der Diskussion keinen Wert hinzu da sie rechtlich nichts gelten. Wenn der Patient nicht informiert werden will sollte sich dies der Arzt bei Wahloperation besser schriftlich bestätigen lassen. Sonst kann es schnell eng werden. Diese Art von Patienten stirbt aber langsam aus, die meisten Patienten informieren sich sehr gut, fragen nach etc. Das macht es für die Ärzte schwieriger und das geht einigen fürchterlich auf die Nerven. Gute alte Zeit des Gott im weissen Kittel. Ich will aber die Ärzte nicht schlechtreden. Gerade bei jüngeren Ärzten habe ich die Erfahrung gemacht dass sie die Information des Patienten sehr ernst nehmen.

In der REALITÄT lassen sich die Ärzte vor Operationen nach meiner eigenen Erfahrung alles Denk- und Undenkbare per Formular und Unterschrift bestätigen. Das fängt schon bei der Anästhesie an und geht mittlerweile viel weiter. Hat schon mal einer in der letzten Zeit ne Magenspiegelung gemacht ohne Formular und Unterschrift? In großen Kliniken gibt es fast nichts mehr ohne Einwilligungserklärung. Ich finde das auch richtig so, alles andere ist eh nur nutzloses Rumgesülze.

Ich kann überhaupt nicht verstehen das man immer vom Patiententrottel ausgeht. Ich finde der Patient wird blöder und sensibler geredet als er ist. Sicher, es gibt viele ältere Patienten bei denen es schwierig ist die Informationen vernünftig zu vermitteln. Dann muss sich der Arzt eben die Zeit nehmen, eine Alternative wäre der Gott im weissen Kittel der eigenmächtig entscheidet was für den Patienten gut oder schlecht ist oder ob der Patient die u.U. negative Information psychsich aushält. Die Diskussion in eine solche Richtung weiterzuführen halte ich für überflüssig, das führt zu nichts.

Jeder Patient in der Humanmedizin ist ein Mensch und hat das Recht auf eine freie Entscheidung für oder gegen eine Behandlung. Um diese Entscheidung fällen zu können muss er vollständig informiert werden. Kein Mediziner oder Psychologe darf das Patientenrecht weichreden.

Grüße,

Monty

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Hi :)