Hallo Zusammen,
ich bin neu hier, beobachte das Forum aber als ehemals chronisch niereninsuffizient schon seit längerem.
Ich, verheiratet, 1 Kind, 1 Pflegekind, bin 12/2006 transplantiert worden (Lebendspende meines Mannes).
Ich stand meiner Erkrankung (Glomerulonephritis vom Typ der dünnen Basalmembran, festgestellt nach Geburt meines Sohnes vor rd. 20 Jahren) immer sehr ablehnend gegenüber.
Ich habe, nachdem mein Sohn auf der Welt war, ein Studium begonnen, und hatte das Glück, mir in meinem Job in der IT-Branche (den ich nach wie vor sehr gerne ausfülle) eine Führungsposition zu erarbeiten.
Nebenbei waren mein Mann und ich in der Lage, unserer durch einen Unfall verwaisten und querschnittgelähmten Nichte erfolgreiche Pfegeeltern zu sein.
Natürlich gab es in unserem Leben einige manchmal existientielle Aufs und Abs, die wir aber gemeinsam gemeistert habe.
Über all die Jahre habe ich versucht, meine Erkrankung zu verdrängen, bis es sich aufgrund des schlechter werdenden Befindens nicht mehr verdrängen ließ.
Vor zwei Jahren schien sich die Dialysepflicht allmählich abzuzeichnen. Mein Arzt fragte nach möglichen Spendern. Innerhalb der Familie habe ich die Erkrankung erst zu diesem Zeitpunkt angefangen zu thematisieren. Mutter, Bruder, Sohn und Mann stellten sich sofort als Spender zur Verfügung; meine Mutter kam gesundheitlich und mein Bruder aufgrund der Blutgruppenunverträglichkeit nicht in Frage, unseren Sohn hielten wir für uns zu jung und so verblieb mein Mann. Er sah diesen Weg als einzige Alternative für mich, die Prognose der Ärzte war gut und er konnte sich für mich eine Dialyse nicht vorstellen.
Ich stand - auch wenn für mich Dialyse nicht in Frage kam - der Spende meines Mannes sowie generell einer Transplantation sowohl aus ethischen Gründen als auch praktischen Auswirkungen auf mein Leben, die ich befürchtete, sehr kritisch bis ablehnend gegenüber.
Aber zu guter Letzt ließ ich mich insbesondere von den Ärzten überreden, die OP nicht länger hinauszuzögern. Der Zeitpunkt wurde von mir über den Jahreswechsel geplant, da während dieser Zeit Kundenprojekte etwas ruhiger gefahren werden, und ich wechselte praktisch aus dem Büro auf den OP-Tisch.
Meine große Hoffnung war, dass es ich in überschaubarer Zeit mit der neuen Niere zumindest wieder etwas leistungsfähiger werden und auch meine Lebensqualität sich bessern würde. Denn diese war in den letzten zwei Jahren schon rapide gesunken.
Mit 44 kann man sich nicht aus dem Berufsleben verabschieden, zumal mein Mann seit vielen Jahren aufgrund seiner schweren Sehbehinderung die Familie nicht versorgen könnte. Ergo kannte ich Freizeit und gesellschaftliches Leben in den letzten Jahren nicht mehr, jede freie Minute musste ich zur Regenerierung nutzen, um beruflich weitermachen zu können und meinen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.
Die vorgenannte Hoffnung hat sich aber nicht erfüllt. Entgegen den Versprechen der Ärzte sind meine Voraussagen (genährt durch die vielen Informationen im Vorfeld bzgl. Medikation etc.) leider eingetroffen.
Auch wenn die Transplantation erfolgreich verlief und sich zumindest die Heilung aufgrund des noch guten Allgemeinzustandes sehr schnell vonstatten ging, traten ab der 5. Woche nach Transplantation mehr und mehr Nebenwirkungen auf, bis nahezu alle beschriebenen vorhanden waren.
8 Wochen nach Transplantation war ich wieder voll tätig, da ich das Gefühl hatte, wenn ich mich noch länger auf die zunehmenden Probleme konzentriere, würde es nur schlimmer. Auch wenn mir die Ablenkung mental gut tat, eskalierten die Folgen der Nebenwirkungen. Dazu kam auch noch eine leichte Abstoßung 3 Monate nach Transplantation. Die Medikation (Cyclosporin auf Prograf) wurde umgestellt und es schien erst mal besser zu sein.
Heute, wieder 3 Monate später, stellen sich nach und nach wieder alle Probleme ein, auf die ich im Einzelnen nicht eingehen möchte, die aber einige Leidensgefährten sich nachvollziehen können.
Fazit: für mich war die Entscheidung zur Transplantation aufgrund unzureichender Entscheidungsgrundlagen bzw. der Verharmlosung seitens der Mediziner ein Fehler. Ich halte allein aus moralischen Gründen meinem Mann gegenüber durch, er hat immerhin sein Organ für mich geopfert. Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, ich hätte mein Leben einfach ausklingen lassen. Ich weiß heute nicht, ob man hier zumindest subjektiv, von einem Leben reden kann - ich wollte nie ein Leben um jeden Preis führen.
Ich möchte daher jedem raten, sich die möglichen Konsequenzen in all ihren Facetten vor Augen zu führen und sehr wohl abzuwägen, insbesondere, wenn er sich von einem Lebendspender helfen lässt.
Und ich möchte an die Ärzte appellieren, keine Schönfärberei zu betreiben!
S.B.